Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsatz von Vermögen bei der Bewilligung ergänzender Sozialhilfe für ungedeckte Heimpflegekosten eines Pflegebedürftigen
Orientierungssatz
1. Einen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten aus Mitteln der Sozialhilfe hat derjenige Pflegebedürftige nicht, der seinen notwendigen Lebensunterhalt und Pflegebedarf aus vorhandenem, zumutbar einsetzbarem Vermögen decken kann.
2. Der Leistungsanspruch aus einem Bestattungsvorsorgevertrag zählt zwar zu dem zumutbar einsetzbaren Vermögen. Aber die dem Pflegebedürftigen zustehende Sozialhilfe darf dann nicht von der Verwertung dieses Vermögens abhängig gemacht werden, wenn dies für ihn eine Härte bedeuten würde. Mit der Vorschrift des § 74 SGB 12 ist eine menschenwürdige Bestattung für Sozialhilfeempfänger sichergestellt.
3. Nur dann, wenn der Bestattungsvorsorgevertrag in der Absicht geschlossen wurde, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, steht dies der Annahme eines Härtefalles entgegen.
4. Die Verwertung des in einer Lebensversicherung liegenden Vermögens bedeutet dagegen keine Härte i. S. von § 90 Abs. 3 SGB 12, wenn sie eine angemessene Alterssicherung nicht wesentlich erschweren würde. Das ist dann der Fall, wenn der Pflegebedürftige zum Zeitpunkt des Ablaufs bereits 82 Jahre alt wäre und der Rückkaufwert im Zeitpunkt der Verwertung 60 % der garantierten Leistung beträgt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe für ungedeckte Heimpflegekosten ab 01.09.2008.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist verheiratet und hat einen Sohn. Er leidet an wahnhaften affektiven Störungen, der Alzheimer-Krankheit und einem Zustand nach Delirium bei Demenz. Er ist schwerbehindert nach einem Grad der Behinderung von 100. Seit 01.03.2008 ist von der Pflegekasse Schwerpflegebedürftigkeit anerkannt; der Kläger erhält deshalb Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Er bezieht monatlich eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und Rentenversicherung (Stand Juli 2008: 839,40 EUR bzw. 1.396,40 EUR). Der Kläger steht unter Betreuung seines Sohnes aufgrund einer im Dezember 2007 erteilten Vollmacht.
Am 23.07.2008 wurde der Kläger in ein Altenpflegeheim aufgenommen, zunächst für eine Kurzzeitpflege bis 19.08.2008, anschließend - übergangslos - in stationäre Vollzeitpflege.
Am 30.07.2008 beantragte der Kläger ergänzende Sozialhilfe in Bezug auf die ungedeckten Heimpflegekosten. Als sein Vermögen gab er einen Lebensversicherungsvertrag bei der Aachen Münchener Versicherung und einen Bestattungsvorsorgevertrag über 5.000,00 EUR an. Der Lebensversicherungsvertrag ist auf das Ablaufdatum 01.09.2013 geschlossen; zu diesem Zeitpunkt garantiert der Versicherer eine Leistung von 7.928,00 EUR; dieser Betrag wird auch für den vorzeitigen Todesfall garantiert; der Rückkaufwert der Lebensversicherung betrug im Juli 2008 4.645,60 EUR. Den Bestattungsvorsorgevertrag hatte die Ehefrau des Klägers am 16.07.2008 abgeschlossen; am selben Tag hatte sie auch den Versicherungsbetrag von 5.000,00 EUR eingezahlt.
Durch Bescheid vom 27.08.2008 lehnte der Beklagte die Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten aus Sozialhilfemitteln ab. Er ermittelte ohne Berücksichtigung des einzusetzenden Einkommens einen täglichen ungedeckten Bedarf von 8,31 EUR. Dieser könne aus dem zumutbar einzusetzenden Vermögen von 6.431,60 EUR (4.645,60 EUR Rückkaufwert der Lebensversicherung plus 5.000,00 EUR Bestattungsvorsorgevertrag abzüglich 3.214,00 EUR Freibetrag) für 774 Tage vom Leistungsberechtigten selbst gedeckt werden. Hinsichtlich des Bestattungsvorsorgevertrages verwies der Beklagte darauf, dass dieser lediglich eine Woche vor der Heimaufnahme geschlossen worden und deshalb unter Härtegesichtspunkten nicht geschützt sei. Dagegen legte der Kläger am 29.09.2008 Widerspruch ein. Zwar sei der Bestattungsvorsorgevertrag eine Woche vor der Heimaufnahme geschlossen worden; jedoch sei zunächst nur Kurzzeitpflege geplant gewesen, da vollstationäre Pflege zunächst nicht für erforderlich gehalten worden war. Erst gegen Ende der Kurzzeitpflege habe sich ergeben, dass eine Rückkehr in die häusliche Umgebung medizinisch nicht vertretbar gewesen sei. Auch die Pflegekasse habe am 29.07.2008 zunächst (nur) die Kosten der Kurzzeitpflege übernommen.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 04.03.2009 zurück. Eine Neuberechnung des Bedarfs ergab einen ungedeckten Bedarf von 12,94 EUR pro Tag. Das zumutbar einzusetzende Vermögen bezifferte der Beklagte nunmehr auf 5.931,60 EUR. Die Differenz von 500,00 EUR zu dem im angefochtenen Bescheid angesetzten Betrag ergab sich daraus, dass der Beklagte einen bei Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrages möglichen Schadensersatzanspruch des Bestatters mit 10 % des Wertes ansetzte. Die Division des einzusetzenden Vermögens durch den ermittelten ungedeckten Tagesbedarf ergebe, dass ...