Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch des Krankenhauses für die Verabreichung von Apherese-Thrombozytkonzentraten
Orientierungssatz
1. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses richtet sich gemäß § 109 Abs. 4 SGB 5 i. V. m. § 39 Abs. 1 S. 2 SGB 5 nach der Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung und der Dauer der erforderlichen stationären Behandlung.
2. Ist zwischen Krankenhaus und Krankenkasse bei der stationären Behandlung einer koronaren Gefäßerkrankung lediglich umstritten, ob die Gabe von Apherese-Thrombozytkonzentraten (ATK) gerechtfertigt ist oder aber die kostengünstigere Verabreichung von Poolprodukten ausreichend ist, so darf die Abrechnung des Zusatzentgelts ZE 84.02 für die Behandlung des Versicherten nur erfolgen, wenn die Gabe der ATK erforderlich war.
3. Bei mehreren gleich geeigneten, ausreichenden und notwendigen Behandlungsmethoden besteht lediglich Anspruch auf die kostengünstigere Therapie.
4. Bisher liegen keine gesicherten Daten vor, die belegen, dass ATK und die Gabe von Poolprodukten - aus vier bis fünf Vollblutspenden gewonnene gepoolte Präparate (PTK) - im operativen Bereich gleich geeignet sind. Aufgrund der Hämovigilanzdaten sind sowohl PTK und ATK als gleich wirksam und sicher anzusehen. Bisher liegen keine verwertbaren Studien zu einer gleichwertigen oder unterschiedlichen therapeutischen Wirksamkeit von PTK und ATK vor. Weil ATK als sog. Goldstandard bei der Therapie von blutenden Patienten eingesetzt werden soll, hat die Krankenkasse dem Krankenhausträger die Kosten verabreichter Apherese-Thrombozytkonzentraten zu vergüten.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 818,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30.04.2012 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.
Der Streitwert wird auf 818,11 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 818,11 EUR.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus (Hochschulklinik). Dort wurde der bei der Beklagten versicherte B. I., geb. 00.00.0000 (im Folgenden: Versicherter) vom 19.03.2012 bis zum 27.03.2012 wegen einer koronaren Zwei-Gefäßerkrankung behandelt. Während des Einsatzes eines Aorto-Coronaren-Venenbypasses (ACVB) erhielt er zwei Gaben Apherese-Thrombozytenkonzentrate (mit Apherese gewonnene Präparate vom Einzelspender - ATK). An kardiovaskulären Risikofaktoren bestanden eine arterielle Hypertonie, eine Fettstoffwechselstörung und Adipositas. Unter dem 03.04.2012 stellte die Klägerin der Beklagten für die stationäre Behandlung des Versicherten einen Gesamt-betrag von 12.775,82 EUR in Rechnung (DRG F06F). In diesem Betrag waren 818,11 EUR für die ATK-Gabe mit dem Zusatzentgelt (ZE) 84.02 enthalten. Die Beklagte beglich die Rechnung am 11.04.2012 bis auf einen Betrag von 818,11 EUR. Sie stellte die medizinische Erforderlichkeit der Gabe von ATK in Abrede und verwies auf die wirtschaftlichere Gabe von Poolprodukten (aus 4 - 5 Vollblutspenden gewonnene gepoolte Präparate - PTK).
Am 22.01.2013 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 818,11 EUR erhoben. Sie trägt vor, die Notwendigkeit und Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung sowie der Umfang der von ihr erbrachten Leistungen seien zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig sei allein die Verwendung von ATK anstelle von PTK. Die Preise für beide Produkte würden bundeseinheitlich in der Anlage 5 zur Fallpauschalenvereinbarung (FPV) verhandelt, wobei die Kosten für ATK (Zusatzentgelt 84) über denen von PTK (Zusatz-entgelt 94) lägen. Die von der Beklagten vorgetragenen Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte kämen dann zum Tragen, wenn verschiedene Behandlungsalternativen mit gleicher Qualität und Wirksamkeit der Leistungen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zur Verfügung ständen. Dies sei bei der Verwendung von PTK im Verhältnis zu ATK nicht der Fall. Das Risiko, Krankheitserreger zu übertragen, sei bei Poolprodukten im Vergleich zu Aphereseprodukten 4 - 6 mal höher. Nach einer aktuellen Risikomodellierung des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert-Koch-Instituts bezüglich des Risikos der Übertragung bekannter Erreger habe sich für HIV, Hepatitis C und Hepatitis B ein höheres Übertragungsrisiko durch PTK als durch ATK ergeben. Hinsichtlich einer HIV-Übertragung sei das Risiko für PTK-Empfänger 2,2-fach höher als für ATK-Empfänger. Bei Hepatitis C sei das Risiko 2,7-fach und bei Hepatitis B sogar 3,2-fach erhöht. Darüber hinaus bestehe bei Poolprodukten ein höheres Risiko der Allo- und Autoimmunisierung. Auch die Überlebenszeit der Thrombozyten von ATK sei besser als die von PTK. Damit unterschieden sich PTK und ATK sowohl hinsichtlich ihrer Qualität als auch ihrer Wirksamkeit und stellten im Verhältnis zueinander keine Behandlungsalter-native dar. Die Versorgung mit ATK entspreche darüber hinaus dem vom Bundes-gerichtshof (BGH) im Jahr 2000 geforderten Gebot der höchsten Sorgfalt ...