Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Fahrtkosten. Kostenübernahme von sogenannten Fehlfahrten
Orientierungssatz
Ein Krankentransport iS des § 60 SGB 5 ist auch dann zu bejahen, wenn der Versicherte aus medizinischen oder sonstigen Gründen nicht transportiert werden muss, also eine so genannte Fehlfahrt vorliegt.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 verurteilt, dem Kläger die Kosten der beiden am 16.03.2006 durchgeführten so genannten Rettungstransportwagen-Fehlfahrten in Höhe von 282,84 EUR zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für zwei Rettungstransportwagen - (RTW-)Fahrten in Höhe von 282,84 EUR.
Der am 00.00.1929 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert; für 2006 ist er von der gesetzlichen Zuzahlungspflicht befreit. Er ist stark gehbehindert und schwerstpflegebedürftig (Pflegestufe III). Am 16.03.2006 stürzte er kurz nach Mitternacht auf dem Weg zur Toilette. Dabei verletzte er sich am Arm und blieb auf dem Boden liegen. Es gelang ihm nicht, selbst aufzustehen. Seine ebenfalls stark gehbehinderte und schwerpflegebedürftige Ehefrau konnte ihren Mann auch nicht aufrichten. In Sorge um ihn forderte sie daraufhin über den Feuerwehr-Notruf 112 Hilfe an. Ausweislich des Einsatzberichts und des Rettungsdienstprotokolls der Feuer- und Rettungswache der Stadt F. erfolgte der Notruf um 00:26 Uhr. Es wurde ein RTW entsandt, der um 00:31 Uhr am Einsatzort eintraf; um 00:54 Uhr forderte die RTW-Besatzung den so genannten "MQN" (Medizinisch Qualifizierter Notdienst) an. Der darauf von der Leitstelle entsandte Notarzt untersuchte den Kläger, stellte einen erhöhten Blutdruck, ödematöse Füße und eine "leichte Verletzung obere Extremitäten" fest. Der Einsatz wurde im Protokoll als Notfall eingestuft. Als der Kläger ins Krankenhaus gefahren werden sollte, verweigerte er eine Mitfahrt. Daraufhin verließ der RTW 01:39 Uhr den Einsatzort ohne den Kläger.
Gegen 12:00 Uhr am 16.03.2006 fiel der Kläger beim Aufstehen von einem Stuhl erneut auf den Boden. Wieder gelang weder ihm selbst noch seiner Ehefrau ein Aufrichten. Da die Ehefrau anderweitige Hilfe nicht herbeirufen konnte, forderte sie diese erneut über den Notruf 112 an. Ausweislich des Einsatzberichts und des Rettungsdienstprotokolls erfolgte der Notruf um 12:12 Uhr; der darauf entsandte RTW traf um 12.17 Uhr am Einsatzort ein. Der Kläger wurde am Boden liegend gefunden, aufgehoben und in einen Stuhl gesetzt; es wurde der Blutdruck gemessen; Verletzungen wurden nicht festgestellt. Eine Mitfahrt ins Krankenhaus lehnte der Kläger ab. Um 12:34 Uhr fuhrt der RTW ohne den Kläger ab.
Mit 2 Rechnungen vom 21.03.2006 forderte die Stadt F. den Kläger zur Zahlung der Mindestgebühr in Höhe 141,42 EUR für jede Fahrt des RTW, zusammen 282,84 EUR auf.
Am 05.05.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Fahrkosten unter Vorlage der beiden Rechnungen, die von ihm im April/Mai 2006 beglichen worden waren. Durch Bescheid vom 19.05.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, Kosten für Fehlfahrten würden nicht erstattet, da es sich nicht um Fahrten im Sinne von § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) handele. Nach den Krankentransport-Richtlinien würden Fahrkosten bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann übernommen, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich sei; Ziel der Fahrt müsse jedoch ein Krankenhaus sein.
Dagegen legte der Kläger am 13.06.2006 Widerspruch ein. Er verwies auf ein Urteil des Sozialgericht (SG) Aachen vom 14.06.2004; darin sei festgestellt, dass auch für Fehlfahrten ein Fahrkostenanspruch gegenüber der Krankenkasse bestehe.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006 zurück. Sie wiederholte, eine Rettungsfahrt, deren Kosten übernommen werden könnten, müsse ein Krankenhaus zum Ziel haben; unerheblich sei, ob der Versicherte dort ambulant oder stationär behandelt werde oder während des Transports versterbe. Da vorliegend kein Personentransport mit dem RTW stattgefunden habe, bestehe kein Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse.
Dagegen hat der Kläger am 16.10.2006 Klage erhoben. Er trägt vor, die Inanspruchnahme des Feuerwehrnotrufs sei im Hinblick auf seine aufgetretenen Beschwerden zwingend geboten gewesen. Die Fahrkosten seien im Zusammenhang mit notärztlicher Versorgung entstanden. Seine Ehefrau habe nur die Möglichkeit gehabt, den Notruf 112 zu nutzen oder darauf zu verzichten und ein gegebenenfalls tödliches Risiko einzugehen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 zu verurteilen, ihm die Kosten der beiden am 16.03.2006 durchgeführten so genannten Rett...