Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Verurteilung des notwendig beizuladenden Trägers von Leistungen nach AsylbLG zur Kostenerstattung für eine stationäre Krankenhausbehandlung. Rechtsanalogie. Nothilfe. örtliche Zuständigkeit. Erstattungsanspruch des Nothelfers auch für die Zeit nach Kenntnis des Leistungsträgers vom Nothilfefall. Prozesszinsen. teleologische Reduktion. Kostenpflicht und -festsetzung
Orientierungssatz
1. § 75 Abs 5 Alt 3 SGG ist auf Träger von Leistungen nach dem AsylbLG analog anzuwenden, da es sich dabei um sozialhilfeähnliche, steuerfinanzierte Leistungen handelt (vgl LSG Stuttgart vom 1.8.2006 - L 7 AY 3106/06 ER-B = SAR 2006, 117 und SG Aachen vom 22.10.2010 - S 19 AY 14/09 = SAR 2011, 9).
2. § 25 S 1 SGB 12 findet im Bereich des AsylbLG analoge Anwendung (vgl BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 24/06 R = SozR 4-2500 § 73 Nr 3 und vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R = BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3).
3. Die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Leistungen ergibt sich aus § 10a Abs 2 S 3 AsylbLG, der bezüglich der Zuständigkeit für Leistungen in Einrichtungen, die der Krankenbehandlung dienen, auf die Zuständigkeit nach § 10a Abs 1 AsylbLG verweist.
4. Ist eine erteilte Zuweisungsentscheidung jedoch unwirksam geworden, weil der Asylbewerber vor der Notfallbehandlung ausgereist war, so ist zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nicht auf § 10a Abs 1 S 1 AsylbLG, sondern auf die subsidiäre Zuständigkeitsregelung des § 10a Abs 1 S 2 AsylbLG zurückzugreifen.
5. Zwar besteht der Nothelferanspruch nach dem Wortlaut des § 25 S 1 SGB 12 (analog) nur, soweit Sozialhilfe (bzw Asylbewerberleistungen) nicht rechtzeitig einsetzen konnten. Daraus indessen abzuleiten, dass ein Anspruch nur bis zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem der Träger der Sozialhilfe (bzw der Asylbewerberleistungen) Kenntnis vom Hilfefall erhält, hält die Kammer für zu weitgehend (entgegen LSG Stuttgart vom 22.11.2007 - L 7 SO 5195/06 = KHR 2008, 46). In Fällen, in denen eine begonnene Krankenhausbehandlung noch andauert, erscheint es sachgerecht, dass der örtliche Träger der Sozialhilfe (hier von Asylbewerberleistungen) die gesamten Behandlungskosten für diese einheitliche Krankenhausbehandlung trägt, und zwar unabhängig davon, ob die Krankenhausbehandlung auf der Grundlage zweier unterschiedlicher Fallpauschalen abgerechnet wird.
6. Für sozialrechtliche Streitigkeiten, an denen Kostenprivilegierte nicht beteiligt sind, finden die Regelungen der §§ 291, 288 Abs 1 S 2 BGB analoge Anwendung. Die Vorschriften sind jedoch im Hinblick auf den Anspruch auf Prozesszinsen gegen den Träger der Asylbewerberleistungen im sozialgerichtlichen Verfahren insofern teleologisch zu reduzieren, als der Eintritt der Rechtshängigkeit gegenüber dem Leistungsträger iS des § 291 BGB erst zum Datum der Zustellung des Beschlusses über die unechte notwendige Beiladung erfolgt ist.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1, Abs 2 S 1 SGG iVm §§ 155 Abs 1, 161 Abs 1, 162 Abs 1 VwGO. Die Kammer folgt der Rechtsprechung des 8. Senats des BSG nicht darin, dass es sich bei der geforderten Leistung um eine "Sozialleistung im weiteren Sinne" handelt, mit der Folge, dass die Kostenregelung des § 193 Abs 1 S 1 SGG Anwendung findet (entgegen BSG vom 11.6.2008 - B 8 SO 45/07 B = SozR 4-1500 § 183 Nr 7 und vom 19.5.2009 - B 8 SO 4/08 R = BSGE 103, 178 = SozR 4-3500 § 25 Nr 1). Zahlt der Leistungsträger bei Krankenhausbehandlung als Sachleistung für die Erfüllung des Primäranspruchs des Hilfeempfängers Aufwendungsersatz bzw Vergütung, wird das Krankenhaus nicht zum Leistungsempfänger iS des § 183 SGG (Anschluss an SG Aachen vom 22.1.2010 - S 19 AY 14/09 aaO).
Tenor
Die Beigeladene wird verurteilt, an die Klägerin 3.157,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 3.157,13 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Aufwendungen für die notfallmäßige Krankenhausbehandlung eines Asylbewerbers.
Der u. Staatsangehörige C. Z., geb am 00.00.0000, stellte nach Einreise in die BR Deutschland 1977 erstmals einen Asylantrag und wurde der Stadt L. zugewiesen. Nachdem sein Asylantrag sowie sein Asylfolgeantrag 1993 bestandskräftig abgelehnt worden waren, wurde er am 20.07.2007 wegen kardialer Dekompensation und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung auf der inneren Station des Krankenhauses der Klägerin notfallmäßig aufgenommen und dort bis zum 10.08.2007 stationär behandelt. Am 23.07.2007 informierte die Klägerin das Sozialamt H. über die Notfallaufnahme. Unter dem 24.09.2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 3.157,13 Euro. Mit Bescheid vom 22.01.2008 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Kosten ab und führte zur Begründung aus, die Bedürftigkeit des Zeugen Z. sei...