Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. sozialgerichtliches Verfahren. notwendige Beiladung. Verpflichtung des beigeladenen Leistungsträgers nach dem AsylbLG gem § 75 Abs 5 Alt 3 SGG. Kostenerstattung für eine stationäre Krankenhausbehandlung. analoge Anwendung des § 25 S 1 SGB 12. örtliche Zuständigkeit. Spezialvorschrift des § 10a Abs 2 AsylbLG. Unwirksamkeit einer erteilten Zuteilungsentscheidung
Orientierungssatz
1. § 75 Abs 5 Alt 3 SGG ist auf Träger von Leistungen nach dem AsylbLG analog anzuwenden, da es sich dabei um sozialhilfeähnliche, steuerfinanzierte Leistungen handelt (vgl LSG Stuttgart vom 1.8.2006 - L 7 AY 3106/06 ER-B = SAR 2006, 117).
2. Eine Verurteilung gem § 75 Abs 5 SGG kann erfolgen, ohne dass ein Vorverfahren durchgeführt worden ist. Dies gilt erst Recht, wenn ein Vorverfahren noch andauert.
3. § 25 S 1 SGB 12 findet im Bereich des AsylbLG analoge Anwendung (vgl BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 24/06 R = SozR 4-2500 § 73 Nr 3 und vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R = BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3).
4. § 10a Abs 2 AsylbLG ist lex specialis zu § 10a Abs 1 AsylbLG.
5. Eine erteilte Zuweisungsentscheidung wird durch Ausreise des Ausländers unwirksam (vgl OVG Münster vom 7.3.2008 - 18 B 40/08 und LSG Essen vom 12.1.2006 - L 20 B 11/05 AY ER = SAR 2006, 57).
Nachgehend
Tenor
Der Beigeladene wird verurteilt, an die Klägerin 22.786,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und der Beigeladene tragen die Kosten des Rechtsstreits zu je 1/2, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten, die die Klägerin allein trägt.
Der Streitwert wird auf 22.786,83 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Aufwendungen für die stationäre Krankenhausbehandlung eines Asylbewerbers.
Der am 00.00.0000 geborene D. P. stellte erstmals 1992 einen Asylantrag und wurde mit Bescheid vom 10.08.1992 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Stadt X. zugewiesen. Mit Bescheid vom 01.04.1993 wurde der Asylantrag abgelehnt. Am 17.11.1994 wurde Herr P. nach unbekannt abgemeldet. Nachdem Herr P. erneut in die BR Deutschland eingereist war, stellte er unter dem 27.03.2006 einen Zweitantrag. Während dieses Verfahrens wohnte er in einer Asylbewerberunterkunft in X. und erhielt seit dem 30.03.2006 vom Beklagten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Nach erneuter Ablehnung des Asylantrags (Bescheid vom 08.05.2006) stellte er unter dem 20.11.2006 einen Asylfolgeantrag, welcher mit Bescheid vom 28.11.2006 abgelehnt wurde. Diese Entscheidung war seit 03.01.2007 sofort vollziehbar (Eilbeschluss des VG Düsseldorf im Verfahren 1 L 2362/06.A). Die Rechtskraft der Ablehnungsentscheidung trat am 14.06.2007 ein. Am 09.07.2007 wurde Herrn P. eine bis zum 30.11.2007 befristete Duldung erteilt, die ihn zu einer Beschäftigung als H. in B. berechtigte. Unter dem 04.09.2007 meldete er sich für eine Wohnung der F.-Straße 61 in 00000 B. an. Nachdem die Ausländerbehörde der Stadt B. seinen Antrag auf Zuzug nach B. mit Bescheid vom 12.12.2007 abgelehnt hatte, meldete er sich unter dem 03.01.2008 wieder in X. an. Unter dem 06.02.2008 wurde ihm eine bis 30.06.2008 befristete Duldung erteilt. Nachdem Ermittlungen der Stadt X. ergeben hatten, dass sich Herr P. dort nicht mehr aufhält, wurde er unter dem 04.11.2008 nach unbekannt abgemeldet und zur Personenfahndung ausgeschrieben. Nachdem Herr P. am 22.03.2009 in B. von der Polizei angetroffen worden war, fand am 25.03.2009 die polizeilichen Durchsuchung einer Wohnung in der X. Straße 10 in 00000 B. statt, wo Herr P. erneut angetroffen wurde. Im Verlauf der Durchsuchung floh dieser und stürzte im zweiten Stock aus ca. zehn Meter Höhe aus dem Fenster. Hierbei erlitt er u.a. ein Polytrauma mit multiplen Frakturen und wurde im von der Klägerin betriebenen Universitätsklinikum am gleichen Tag notfallmäßig versorgt und stationär aufgenommen. Sein stationärer Aufenthalt auf der unfallchirurgischen Station des Klinikums dauerte bis zum 18.05.2009 an. Am 08.04.2009 stellte die Klägerin bei dem Beklagten Antrag auf Übernahme der für Herrn P. aufgewendeten Behandlungskosten. Mit Bescheid vom 29.04.2009 lehnte der Beklagte eine Übernahme der Kosten ab. Zur Begründung führte er aus, die für das durchzuführende Asylverfahren erteilte Zuweisungsentscheidung verliere nach Abschluss des Asylverfahrens ihre Wirkung. Zuständig sei die Behörde, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufgehalten habe. Da Herr P. seinen Aufenthalt zuletzt in B. gehabt habe, sei eine Zuständigkeit des Beklagten nicht gegeben. Die Klägerin legte Widerspruch ein und stellte am 07.05.2009 gegenüber dem Beigeladenen Antrag auf Übernahme der zur Behandlung von Herrn P. aufgewendeten Kosten, was dieser mit Bescheid vom 07.05.2009 ablehnte. Zur Begründung führte er aus, örtlich zuständig sei die Behörde, ...