Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres
Orientierungssatz
1. Bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind die zugrunde zu legenden Entgeltpunkte zu reduzieren, wenn die Rente vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird.
2. Der Rechtsauffassung des 4. Senats des BSG, wonach der Zugangsfaktor bei vor Vollendung des 60. Lebensjahres bezogenen Renten wegen Erwerbsminderung nicht zu reduzieren ist, steht der Wortlaut des § 77 Abs. 2 SGB 6 entgegen. "Vor Vollendung des 63. Lebensjahres" umfasst bereits von der Sprachregelung her auch die Zeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres.
3. Der Gesetzesbegründung ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass ein solcher verminderter Zugangsfaktor lediglich für Versicherte gelten soll, die das 60. Lebensjahr vollendet haben.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darüber, ob dem Kläger eine höhere Erwerbsminderungsrente zusteht.
Die Beklagte bewilligte dem am 16.10.1948 geborenen Kläger mit Bescheid vom 29.06.2001 zunächst eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, beginnend ab dem 01.02.2001 und dann mit Bescheid vom 22.08.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend ab dem 01.08.2002 und befristet bis zum 31.12.2004. Bei der Berechnung der teilweisen Erwerbsminderungsrente legte sie anstatt persönlicher Entgeltpunkte von 34,3888 nur 34,1825 und bei der Berechnung der vollen Erwerbsminderungsrente anstatt persönlicher Entgeltpunkte von 36,3359 nur 35,0842 zugrunde, da sie den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,006 auf 0,994 minderte und die persönlichen Entgeltpunkte damit multiplizierte.
Am 03.01.2007 und 24.01.2007 beantragte der Kläger die Überprüfung der Höhe und Neuberechnung der Rente unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05 R).
Mit Bescheid vom 12.02.2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, die Rente werde in richtiger Höhe gezahlt.
Den dagegen am 07.03.2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie auf den Wortlaut des § 77 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Insofern halte sie die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG für falsch.
Hiergegen richtet sich die am 11.05.2007 erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.02.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2007 unter ent- sprechender Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 29.06.2001 und 22.08.2002 zu verurteilen, ihm ungekürzte Rente unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 ab dem 01.02.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Rentenbescheide und Zahlung einer höheren (abschlagsfreien) Rente. Denn die Beklagte ist bei der Berechnung der Rente in Anwendung von § 77 SGB VI in Verbindung mit § 264 c SGB VI und der Anlage 23 zum SGB VI zutreffend von einem verminderten Zugangsfaktor, nämlich einem Wert von 0,994 ausgegangen.
Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Der Wortlaut dieser Regelung ist eindeutig. Danach sind die bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zugrunde zu legenden Entgeltpunkte über den Zugangsfaktor zu reduzieren, wenn die Rente vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird. Wegen § 77 Abs. ...