Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Apothekenabschlag. Zehntagesfrist gilt nicht bei Nachberechnung der Vergütung aufgrund eines geänderten Berechnungselementes. Anwendung nur auf standardisierte Regelvergütungsabrechnungen

 

Orientierungssatz

1. Für die Abwicklung der Nachberechnung der Vergütung aufgrund eines geänderten Berechnungselementes findet § 130 Abs 3 SGB 5 keine Anwendung (vgl SG Berlin vom 14.9.2012 - S 81 KR 572/11).

2. Die Regelung des § 130 Abs 3 SGB 5 findet mit seiner massiven Folge - dem Fortfall des gesamten Rabatts (vgl BSG vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R = SozR 4-2500 § 130 Nr 2) - nur Anwendung auf die standardisierten Regelvergütungsabrechnungen zwischen den Apotheken und den Krankenkassen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.07.2015; Aktenzeichen B 3 KR 17/14 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird auf 45.823,75 EUR festgesetzt.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, im Rahmen der Vergütung für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, die der Kläger im Jahre 2009 an Versicherte der Krankenkasse abgegeben hat, einen Abschlag (sog. Apothekenrabatt) von 1,75 EUR je Packung einzubehalten. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 45.823,75 EUR als Restvergütung für die Abgabe von 26.185 Arzneimittelpackungen.

Der Kläger ist (und war im Jahre 2009) selbstständiger Apotheker und Inhaber der "I. Apotheke" (Hauptapotheke) und der "Apotheke an der Westpromenade" (Filialapotheke). Über das von ihm beauftragte Rechenzentrum (RZ) in E. stellte er der Beklagten die im Jahre 2009 an deren Versicherte abgegebenen Fertigarzneimittel in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnungen jeweils binnen zehn Tagen nach Eingang unter Berücksichtigung des damals geltenden Apothekenabschlags gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Höhe von 2,30 EUR je verschreibungspflichtigem Arzneimittel; sie behielt für 26.185 vom Kläger gelieferte Packungen einen Apothekenrabatt von insgesamt 60.225,50 EUR ein. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die seinerzeit für 2009 abgerechnete Vergütung entsprechend der damals geltenden Apothekenabschlagsregelung gezahlt worden ist.

Bereits im September 2008 hatten der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) Verhandlungen über die Anpassung des Apothekenabschlags für 2009 aufgenommen. Nachdem eine im Oktober 2008 erzielte Einigung der Verhandlungskommissionen von den Gremien des GKV-Spitzenverbandes abgelehnt worden war, beantragte der DAV am 14.07.2009 die Einleitung eines Schiedsverfahrens. Am 21.12.2009 entschied die nach § 129 Abs. 8 SGB V gebildete gemeinsame Schiedsstelle: "Der Apothekenabschlag nach § 130 Abs. 1 SGB V wird mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 EUR festgesetzt."

Gegen diese Schiedsstellenentscheidung erhob der GKV-Spitzenverband Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 13 KR 135/10); diese Klage wurde später aufgrund einer am 20.06.2013 zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV getroffenen Vereinbarung zurückgenommen. In einem parallel anhängigen Eilverfahren ordnete das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 05.05.2010 (L 1 KR 51/10 B ER) die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Schiedsstelle vom 21.12.2009 an.

Noch am selben Tag (Rechnungsdatum: 05.05.2010) stellte das RZ der Beklagten in einer Sammelrechnung für 854 Apotheken, darunter als laufende Nr. 10 die Hauptapotheke ("I. Apotheke") des Klägers, für 4.739.389 im Jahre 2009 abgegebene Arzneimittelpackungen die Differenz von 2,30 EUR einbehaltenem Apothekenabschlag (alt) und 1,75 EUR festgesetztem Apothekenabschlag (neu), also 0,55 EUR je abgegebener Packung in Rechnung; konkret für den Kläger berechnete das RZ für 26.185 Packungen, die in dessen beiden Apotheken abgegeben worden waren, 14.401,75 EUR. Die Rechnung vom 05.05.2010 ging am 19.05.2010 bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom 26.05. und 06.07.2010 teilte diese dem RZ unter Hinweis auf ihr Recht und ihre Pflicht, die Korrektheit von Forderungen zu prüfen, mit, dass sie Forderungen, die lediglich in pauschalierter Form geltend gemacht würden, nicht akzeptieren könne. Sie bat darum, die tatsächliche Beauftragung der aufgeführten Apotheken nachzuweisen und zu der Forderung differenzierte - im einzelnen aufgelistete - Daten zu übermitteln. Mit Schreiben vom 07.07.2010 bestätigte das RZ gegenüber der Beklagten "wunschgemäß": ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X "Für alle Apotheken, für die mit unserer Rechnung Rabatt-Rückforderungen gestellt wurden, liegen dem RZ entsprechende schriftliche Vollmachten für den Einzug dieser Forderungen vor. Ihre Zahlungen erfolgen demnach mit schuldbefreiender Wirkung auf das Konto des RZ. ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Für die geltend gemachten Forderungen werden Ihnen schnellstmöglich die Datensätze entsprechend der Empfehlung des DAV nachgeliefert."

U...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge