Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung eines Widerspruchsführers durch die Behörde trotz dessen fehlenden Erfolgs im Widerspruchsverfahren
Orientierungssatz
1. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens sind gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 SGB 10 auch dann zu erstatten, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB 10 unbeachtlich ist.
2. Der Grund für die Kostenerstattung trotz Erfolglosigkeit des Widerspruchs liegt in der ursprünglichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes aufgrund des Verfahrens- oder Formmangels und der damit einhergehenden Berechtigung des Widerspruchs.
3. Nach § 42 SGB 10 kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB 10 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sind.
Mit Bescheid vom 02.04.2019 gewährte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab 01.04.2019. Dem Bescheid beigefügt waren folgende Anlagen: Berechnung der Rente, Versicherungsverlauf, Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte. Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 23.04.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid sei nicht hinreichend nachvollziehbar/begründet. Er bat um Übersendung der Berechnungsgrundlagen. Mit Schreiben vom 26.04.2019 übersandte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten die weiteren Berechnungsanlagen zum Rentenbescheid vom 02.04.2019. Mit Schreiben vom 09.05.2019 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, nachdem er nunmehr erstmalig eine umfassende Prüfung der Berechnung der Rente habe vornehmen können, könne er den Widerspruch für erledigt erklären. Die Beklagte treffe die Kostenlast, so dass er darum bitte, einen rechtsmittelfähigen Bescheid hierüber zu erteilen. Beigefügt war eine Rechnung über einen Gesamtbetrag in Höhe von 380,80 Euro. Mit Bescheid vom 15.05.2019 lehnte die Beklagte die Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahren ab. Zur Begründung führte sie aus, der Widerspruch sei nicht erfolgreich im Sinne von § 63 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Tatsache, dass ergänzende Anlagen übersandt worden seien, begründe ebenfalls keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Der angefochtene Bescheid sei schon bei seinem Erlass mit der nach § 35 Abs. 1 SGB X erforderlichen Begründung versehen gewesen. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die der Entscheidung über den Rentenanspruch zu Grunde liegen, seien in dem Bescheid und den Anlagen, die Gegenstand des Bescheids waren, mitgeteilt worden. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass der Bescheid ursprünglich nic ht mit der erforderlichen Begründung versehen worden war, sei dies aufgrund des nachträglichen Übersendung der ergänzenden Anlagen gemäß §§ 41, 42 SGB X unbeachtlich. Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte am 12.06.2019 Widerspruch ein. Wegen der mangelnden Begründung des Bescheides treffe die Beklagte die Kostenlast. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, die dem Bescheid beigefügten Anlagen enthielten die im Sinne der Begründungspflicht wesentlichen Gründe für die Entscheidung über die Rentenhöhe, die mit dem Rentenbescheid getroffen wurde, insbesondere sämtliche der Rentenberechnung zu Grunde gelegten rentenrechtlichen Zeiten und Werte.
Hiergegen richtet sich die am 29.08.2019 erhobene Klage. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führt aus, Bestandteil der jahrzehntelang erteilten Rentenbescheide seien unter anderem folgende Anlagen gewesen: "Entgeltpunkte für Beitragszeiten", "Entgeltpunkte für ständige Arbeiten unter Tage", "Entgeltpunkte für verdrängte deutsche freiwillige Beiträge", "Zuschlag an Entgeltpunkten", "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten", "Versorgungsausgleich", "Höherversicherung", "Berechnung der Zinsen". Nehme man beispielsweise die Anlage "Entgeltpunkte für Beitragszeiten" und die Anlage "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten", sei festzustellen, dass anhand dieser Anlagen z.B. nachvollziehbar war bzw. ist, bei welchen Zeiten es sich nach der Auffassung der deutschen Rentenversicherung um Beitragszeiten, beitragsfreie oder beitragsgeminderte Zeiten gehandelt habe und wie diese im Einzelnen bewertet wurden. Diese Anlagen fehlten nun völlig. Die Ausführungen dazu, wie zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten ermittelt werden, seien eher verwirrend. Die Beklagte habe keineswegs alle "wesentl...