Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung eines Widerspruchsverfahrens durch die Behörde trotz fehlenden Erfolgs des Widerspruchsführers
Orientierungssatz
1. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens sind gemäß § 63 Abs. 1 S. 2 SGB 10 ausnahmsweise auch dann zu erstatten, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hatte, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB 10 unbeachtlich ist.
2. Hat einem dem Rentenberechtigten zugegangenen Rentenbescheid die erforderliche Begründung i. S. von § 35 Abs. 1 SGB 10 gefehlt, so liegt ein ursprünglicher Begründungsmangel vor.
3. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB 10 ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB 10 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird.
4. § 42 SGB 10 beschränkt die Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern der Verwaltungsbehörden.
Tenor
I. Der Widerspruchsbescheid vom 03.05.2019 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kostenantrag des Klägers vom 19.03.2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.
III. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung hinsichtlich eines Widerspruchsverfahrens gegen einen Witwenrentenbescheid streitig.
Die 2050 geborene und mit dem Kläger verheiratete C... bezog ab 01.03.2010 Altersrente von der Beklagten. Sie verstarb am 01.11.2018. Auf Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 11.02.2019 große Witwenrente ab 01.12.2018 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages für die ab 01.03.2019 laufende Zahlung in Höhe von 563,47 €. Der Rentenbescheid enthielt die Anlage "Berechnung der Rente", wonach sich der Zahlbetrag aus persönlichen Entgeltpunkten (Ost) in Höhe von 40,7789, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert (Ost) von 30,69 € ermittelte. Beigefügt war ferner die Anlage "Versicherungsverlauf für C...", die Anlage "Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte" und die Anlage "Zusammentreffen von Rente und Einkommen". Die Anlagen zur Berechnung der Entgeltpunkte aus den Beitragszeiten, den beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten waren nicht beigefügt.
Mit Schreiben vom 22.02.2019 hat der Klägerbevollmächtigte gegen den Rentenbescheid vom 11.02.2019 Widerspruch eingelegt. In der Widerspruchsbegründung wurde auf § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X hingewiesen, wonach jeder Verwaltungsakt zu begründen sei. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X seien in der Begründung die wesentlichen, tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Entscheidung mitzuteilen. Diesen Anforderungen genüge der Rentenbescheid nicht. Ihm können weder die Berechnung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten noch die Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten, die Kernbestandteil für die Berechnung der Rentenhöhe sind, entnommen werden.
Mit Schreiben vom 06.03.2019 wurden die Anlagen "Entgeltpunkte für Beitragszeiten" und "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten" an den Bevollmächtigten des Klägers übersandt mit der Bitte, den Widerspruch bis zum 10.04.2019 abschließend zu begründen oder zurückzunehmen.
Der Bevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19.03.2019 mit, dass mit der Zusendung der fehlenden Anlagen dem Widerspruch in vollem Umgang abgeholfen worden sei. Er bat um Zusendung der entsprechenden Kostengrundentscheidung für das Widerspruchsverfahren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2019 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen und festgestellt, dass die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht erstattet werden. Nach Meinung der Beklagten beschränke sich die Begründungspflicht darauf, dem Betroffenen eines Verwaltungsakts die wesentlichen, tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die Begründung brauche sich demnach nicht mit allen in Betracht kommenden Umständen und Einzelüberlegungen auseinanderzusetzen. Sie dürfe sich auf die Mitteilung der wesentlichen Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang beschränken, dass der Betroffene seine Rechte sachgemäß wahrnehmen kann (BSG v. 09.12.2014, Az. B 6 KA 44/03 R und B 6 KA 71/03 R). Mit den Anlagen "Berechnung der Rente", "Versicherungsverlauf" und "Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte" seien die wesentlichen Gründe für die Entscheidung über die Rentenhöhe mitgeteilt worden.
Am 22.05.2019 wurde Klage erhoben und zur Begründung weiter ausgeführt: Regelbestand des Rentenbescheides sei die Rentenhöhe. Für den Betroffenen müsse ersichtlich sein, wie sich die Rentenhöhe zusammensetzt. Dem Bescheid müssen sämtliche Berechnungsgrundlagen entnommen werden können (vgl. LSG NRW, Urteil v. 13.03.2009, Az. L 13 R 176/08). Dem Bescheid vom 11.02.2019 haben die Angaben zur Berechnung der Entgeltpunkte für Bei...