Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. gemeinsame Wohnung mit erwerbsfähigem, volljährigen Kind. kein Anspruch auf Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 für im Haushalt der Eltern lebende über 25-jährige Leistungsbezieher. verfassungskonforme Auslegung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung des BSG vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R = SozR 4-3500 § 42 Nr 2, nach der im Haushalt der Eltern lebende über 25-jährige Bezieher von Leistungen nach dem SGB 12 Anspruch auf den Eckregelsatz hatten, ist auf das seit dem 1.1.2011 geltende Recht nicht übertragbar (vgl LSG Celle-Bremen vom 24.10.2011 - L 8 SO 275/11 B ER). Lebt ein dauerhaft voll erwerbsgemindertes Kind im Haushalt der Eltern, besteht lediglich ein Bedarf in Höhe von 80 % der Regelbedarfsstufe 1 (vgl LSG Stuttgart vom 10.6.2011 - L 12 AS 1077/11 = ZFSH/SGB 2011, 649).

2. Die Neuregelungen zur Bemessung des Regelbedarfs nach dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (juris: RBEG/SGB2/SGB12ÄndG) sind verfassungskonform.

3. Es verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, dass im Leistungsregime des SGB 2 über 25-jährige Haushaltsangehörige eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden und somit den vollen Regelsatz erhalten können, während dies für voll erwerbsgeminderte Leistungsbezieher nach dem SGB 12 nicht möglich ist.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist dauerhaft voll erwerbsgemindert und lebt im Haushalt ihrer Eltern in einem Einfamilienhaus. Sie bezieht von der Beklagten Leistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) und erhielt Regelleistungen in Höhe eines Haushaltsmitglieds. Nach dem Urteil des 8. Senats des BSG vom 23.03.2010 (Az. B 8 SO 17/09 R) bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 21.06.2010 für die Zeit vom 01.07.2010 bis 30.06.2011 Regelleistungen in Höhe eines Haushaltsvorstands.

Mit Änderungsbescheid vom 18.04.2011 setzte die Beklagte den Regelbedarf ab 01.05.2011 in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 (291,00 Euro monatlich) fest. Zur Begründung verwies sie auf die durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII eingetretenen Änderungen.

Die Klägerin legte am 27.04.2011 Widerspruch ein, worauf ihr die Beklagte mit Schreiben vom 17.05.2011 Gelegenheit zur Äußerung gab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2011 wies die Städteregion B. den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die eingetretenen Gesetzesänderungen berechtigten zu einer Festsetzung eines geringeren Regelbedarfs mit Wirkung ab 01.05.2011.

Hiergegen richtet sich die am 13.07.2011 erhobene Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden ab 01.05.2011 Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 zu. Die Ermittlung der Regelbedarfe durch den Gesetzgeber genüge nicht den vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 09.02.2010 (Az. 1 BvL 1/09 u.a.) aufgestellten verfassungsrechtlichen Grundsätzen. So seien die vom Gesetzgeber für die Regelbedarfsstufe 3 zu Grunde gelegten Einsparungen nicht ausreichend statistisch belegt. Der Gesetzgeber sei ferner seiner Verpflichtung zur Darstellung einer transparenten Begründung nicht nachgekommen.

Insbesondere aber bedeute es eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von über 25-jährigen dauerhaft voll erwerbsgeminderten Menschen, weil diese nicht eine eigene Bedarfsgemeinschaft gründen könnten und deshalb um 20% weniger Regelleistungen (Regelbedarfsstufe 3) erhielten, als erwerbsfähige Hilfebedürftige, die unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit eigene Bedarfsgemeinschaft bilden können und für diesen Fall 100% des Eckregelsatzes erhalten.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 18.04.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest und verweist auf die eingetretenen Änderungen des materiellen Rechts, an das sie gebunden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Aufhebung dieser Bescheide.

Grundlage für die Abänderung des Bescheides vom 21.06.2010 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

Die formellen Anforderungen sind gewahrt. Zwar hat ...

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