Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" im Schwerbehindertenrecht
Orientierungssatz
1. Für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ist nach § 229 Abs. 3 SGB 9 eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung erforderlich, die einen GdB von mindestens 80 erreicht.
2. Nach dem Urteil des BSG vom 16. 3. 2016, B 9 SB 1/15 R liegen die gesetzlichen Voraussetzungen u. a. dann vor, wenn der Schwerbehinderte bereits nach einer Wegstrecke von 30 Metern wegen Erschöpfung eine Pause einlegen muss.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt zuletzt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "außergewöhnliche Gehbehinderung" (Merkzeichen aG).
Die Beklagte stellte bei der am 00.00.0000 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 06.07.2016 einen GdB von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (Merkzeichen B) fest. Abgelehnt wurde (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016) u. a. die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr"(Merkzeichen G) sind bei der Klägerin bereits seit März 2014 festgestellt.
Am 20.04.2018 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag, gerichtet auf die Feststellung eines höheren GdB sowie u. a. die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Zur Begründung wies sie auf eine Arthrose in der Schulter, den Knien und der Hüfte bei Fehlstellung des Knochens hin. Weiterhin bestehe infolge eines Kunstherzens eine Kurzatmigkeit.
Die Beklagte holte einen Befundbericht des Hausarzte Dr. L mit Arztbriefen der Klinik für Thorax-, Herz-, und Gefäßchirurgie der Uniklinik B (9/2017,11/2017, 2/2018) und des Arztes für Orthopädie/Unfallchirurgie H (3/2018) ein. Weiter zog die Beklagte ein für die Pflegekasse erstelltes Pflegegutachten (10/2015) bei.
Versorgungsärztlich wurden Vorbewertungen in Form eines Einzel – GdB von 70 für eine Herzminderleistung bei koronarer Durchblutungsstörung, eines Einzel – GdB von 30 für eine seelische Störung, Einzel – GdB von jeweils 20 für eine Funktionsstörung der Nieren und ein Schlaf – Apnoe-Syndrom für weiter zutreffend erachtet, neu eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und der Gliedmaßen (degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Gonarthrose, geringe Hüftdysplasie, Schultergelenksarthrose) mit einem weiteren Einzel – GdB von 20 bewertet. Der Gesamt – GdB betrage 90. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 08.08.2018 stellte die Beklagte unter Ablehnung u. a. der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG bei der Klägerin einen GdB von 90 fest.
Hiergegen legte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten am 20.08.2018 Widerspruch ein. Ausweislich der beigefügten ärztlichen Bescheinigung der hausärztlichen Praxis liege bei der Klägerin eine besondere Gehbehinderung aufgrund ihrer Herzinsuffizienz vor. Die Klägerin könne - wie der Hausarzt Dr. L bescheinige - nur mithilfe eines Rollators kurze Strecken bis 100 m ohne Pause laufen. Um aus dem Fahrzeug auszusteigen, benötige sie Platz, da sie ihre Herzpumpe und entsprechendes Zubehör ständig bei sich tragen müsse.
Versorgungsärztlich wurde angemerkt, dass ein benötigter breiterer Parkplatz das Merkzeichen aG nicht rechtfertige, bevor mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2018 die Bezirksregierung N den Widerspruch als unbegründet zurückwies.
Hiergegen hat die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten am 04.12.2018 unter Wiederholung des Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren Klage erhoben.
Die Klage hat sie, neben dem Begehren zur Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG, zunächst auch auf die Verpflichtung zur Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "Hilflosigkeit" (Merkzeichen H) gerichtet, die Klage insoweit jedoch mit Schriftsatz vom 03.05.2019 zurückgenommen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin der Beklagten das Klagebegehren in Bezug auf die Feststellung eines GdB von 100 ab Antragstellung unter entsprechender Aufhebung des angefochtenen Bescheides anerkannt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Das Gericht hat ein Pflegegutachten für die Pflegekasse aus dem Februar 2019 beigezogen. Ferner hat das Gericht einen Befundbericht der Hausärztin Dr. T mit Arztbriefen der Klinik für Thorax –, Herz – und Gefäßchirurgie der Uniklinik B(12/2018, 2/2019) der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Uniklinik B (2/2019), der praktischen Ärztin und Psychotherapeutin Dr. N1 (12/2012), der Kardiologie/Radiologie RNR am T1-hospital (1/2013), der Radiologie B1 (2/2019) und einen Entlassungsbericht der Klinik für Innere Medizin des T1-Hospitals (1/2013) eingeholt. Weiter hat das G...