Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe: Festsetzung eines (weiteren) Kostenbeitrags als Eigenanteil
Orientierungssatz
Es ist in der zivil-, verwaltungs- und auch sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass es nicht zwingend sittenwidrig, vielmehr von der Testierfreiheit gedeckt sein kann, wenn Eltern ihren behinderten Kindern etwas vermachen, was dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen bleiben soll. Diese Rechtsprechung betrifft jedoch entweder den Einsatz von Vermögen oder eine bestimmte Erbenstellung des behinderten Kindes (Vor-, Nacherbe) oder Nachlassgegenstände, die der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterliegen, oder Verwendungszwecke, die im Testament festgelegt sind. Geht es nicht um den Einsatz von Vermögen (hier: Einkommen aus Vermächtnis) und ist das behinderte Kind nicht Erbe, sondern Vermächtnisnehmer, ist die Vorschrift des § 2211 Abs. 1 BGB, die einen der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand der Verfügungsbefugnis des Erben entzieht, ebenso wenig einschlägig ist wie die Vorschrift des § 2214 BGB.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines (weiteren) Kostenbeitrags von monatlich 76,69 EUR als Eigenanteil des Klägers zur gewährten Sozialhilfe ab 01.02.2009.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist von Geburt an geistig behindert. Er ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen B, G, H, RF). Er bezieht seit 01.02.1998 eine Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist in einer Behindertenwerkstatt der Caritas beschäftigt. Seit ca. sechs Jahren lebt er in einem Wohnheim der Lebenshilfe e.V ... Bis zum Umzug in das Heim wurde er zuhause von seiner Mutter betreut. Diese hatte in einem notariell beurkundeten Testament vom 19.01.1999 ihre Tochter N. - die Schwester und gerichtlich bestellte Betreuerin des Klägers - zur Alleinerbin eingesetzt und folgendes Vermächtnis angeordnet: "Meinem Sohn X.T., geboren am 00.00.0000, vermache in einen Betrag, der 1/5 des Verkehrswertes des mir gehörenden 1/2 Miteigentumsanteils des Hausgrundbesitzes W.Straße 10 entspricht. Maßgebend ist der Verkehrswert des Grundbesitzes zum Zeitpunkt meines Todes ... Der so errechnete Betrag ist dann an meinen Sohn X. in monatlichen Raten von 150,00 DM, i. W. einhundertfünfzig Deutsche Mark zu zahlen. Der Betrag ist fällig und zu zahlen monatlich im voraus bis zum 05. eines jeden Monats, erstmals nach Ablauf von zwei Monaten nach meinem Tode ... Bei der Zuwendung an meinen Sohn X. habe ich insbesondere berücksichtigt, daß ich mein Kind, das heute dreiundvierzig Jahre alt ist, von Anfang an alleine versorgt und gepflegt habe. Weiterhin liegt der vermachte Betrag über einem Pflichtteilsanspruch meines Sohnes X."
Der Beklagte trägt seit 01.02.2005 die Kosten der Heimunterbringung und -betreuung aus Mitteln der Sozialhilfe durch Eingliederungshilfe und Hilfe zum Lebensunterhalt. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 25.09.2006 setzte er einen Kostenbeitrag des Klägers an der Sozialhilfe in Höhe der vollen Rente fest.
Am 03.12.2008 verstarb die Mutter des Klägers. Aus dem Wert des Nachlasses errechnete sich ein - über dem Pflichtteil liegender - Vermächtniswert von 7.509,66 EUR. Der Kläger nahm das Vermächtnis durch seinen gerichtlich bestellten Ergänzungsbetreuer an.
Nach Anhörung des Klägers setzte der Beklagte durch Bescheid vom 11.11.2009 einen weiteren Kostenbeitrag des Klägers an der Sozialhilfe in Höhe von monatlich 76,69 EUR ab 01.02.2009 fest mit der Begründung, es handele sich bei diesem Zahlbetrag aus dem Vermächtnis um einzusetzenden Einkommen.
Dagegen legte der Kläger am 29.11.2009 Widerspruch ein mit der Begründung, der Beklagte habe einen "Freibetrag" sowie die entstandenen Kosten des Ergänzungsbetreuers nicht berücksichtigt.
Auf Anfrage des Beklagten teilte das Amtsgericht Aachen mit, eine Vergütungsfestsetzung in das Vermögen des Betreuten habe seit 01.02.2009 nicht stattgefunden. Am 22.12.2009 stellte der Ergänzungsbetreuer des Klägers diesem für seine Tätigkeit 874,65 EUR in Rechnung, die dieser bezahlte.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26.05.2010 zurück. Er vertrat die Auffassung, seine Forderung auf den Kostenbeitrag des Klägers an der Sozialhilfe gehe der Forderung des Ergänzungsbetreuers vor, da die Festsetzung zeitlich vor der Rechnungslegung erfolgt sei. Ein Einkommensfreibetrag sei nicht zu berücksichtigen. Einkommen sei bis zur maßgeblichen Einkommensgrenze unbedingt, darüber hinaus im Rahmen des Zumutbaren einzusetzen. Da der Kläger zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gehöre, sei er verpflichtet und es sei ihm auch zuzumuten, das Renten- und das Vermächtniseinkommen voll einzusetzen.
Dagegen hat der Kläger am 24.06.2010 Klage erhoben. Er vertritt die Auffassung, das testamentar...