Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Zuerkennung der Merkzeichen H und B bei einem Kind

 

Orientierungssatz

1. Die Zuerkennung des Merkzeichens H - Hilflosigkeit - setzt einen erheblichen Umfang der notwendigen Hilfeleistungen voraus. Dies richtet sich in erster Linie nach dem erforderlichen täglichen Zeitaufwand. Er muss mindestens zwei Stunden pro Tag betragen und es muss sich um drei der täglich wiederkehrenden Verrichtungen handeln, bei denen der Schwerbehinderte auf Hilfe angewiesen ist.

2. Diese Definition des Hilfebegriffs ist auch bei Kindern maßgebend. Zusätzlich gehört die bei Kindern notwendige Überwachung zu den Hilfeleistungen. Allerdings ist nur derjenige Teil der Hilflosigkeit zu berücksichtigen, der wegen der Behinderung den Umfang der Hilflosigkeit eines gesunden gleichaltrigen Kindes überschreitet. Der Umfang der wegen der Behinderungen zusätzlich notwendigen Hilfeleistungen muss erheblich sein.

3. Das Merkzeichen B - Notwendigkeit ständiger Begleitung - ist gemäß § 145 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 146 Abs. 2 SGB 9 Schwerbehinderten, bei denen die Voraussetzungen der Merkzeichen G oder H vorliegen, zuzuerkennen, wenn sie bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind.

4. Ist ein behindertes Kind beim Einsteigen in und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen, und zwar in einem Maß, welches über das altersentsprechende normale hinausgeht, so ist ihm das Merkzeichen B zuzuerkennen.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 19.3.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2013 verurteilt, bei der Klägerin für die Zeit ab dem 16.07.2013 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen "B" und "H" festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach zu 4/7.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen H und B streitig.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin stellte, vertreten durch ihre Mutter, am 18.12.2012 beim Landesamt für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin - Versorgungsamt - einen Antrag auf Feststellung eines GdB sowie auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens B. Zur Begründung verwies sie auf ein Kurzgutachten von Prof. Dr. T., ärztlicher Leiter des Zentrums für Menschen mit angeborenen Alkoholschäden (FASD) in der Charité. Dieser diagnostizierte bei der Klägerin ein fetales Alkohol Syndrom (FAS) im Rahmen einer Fetalen Alkohol Spektrum Störung (FASD). Der ärztliche Dienst des Versorgungsamtes Berlin kam zu der Einschätzung, bei der Klägerin liege ein GdB von 50 vor; Merkzeichen seien nicht festzustellen.

Mit Bescheid vom 19.03.2013 stellte das Landesamt für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin bei der Klägerin einen GdB von 50 fest. Die Feststellung der beantragten Merkzeichen lehnte es ab.

Unter dem 16.04.2013 legte die Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten, Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 15.07.2013 wurde der Widerspruch damit begründet, dass die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die auf dem fetalen Alkohol Syndrom beruhten, sowohl einem höheren GdB rechtfertigten als auch weitere Merkzeichen. Der GdB sei mit 80 zu bewerten. Daneben seien das Merkzeichen B und zusätzlich das Merkzeichen H zu vergeben. Die Klägerin sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Konstitution nicht in der Lage, sich allein im öffentlichen Nahverkehr zu bewegen. Ohne Begleitpersonen sei sie völlig hilflos. Zur rechtlichen Einordnung fetale Alkohol Spektrum Störungen werde zudem auf das im Auftrag der Drogenbeauftragten der Bundesregierung erstellte Gutachten vom 15.11.2011 verwiesen (vgl. http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/DrogenundSucht/ Alkohol/Downloads/11-11-30 Rechtsgutachten FASD.pdf).

Unter dem 06.08.2013 teilte die Klägerin unter Beifügung des entsprechenden Pflegegutachtens mit, dass für sie seit März 2013 die Pflegestufe I bewilligt worden sei.

Der ärztliche Dienst nahm erneut Stellung und kann hierbei zu der Einschätzung, dass die bisherige Entscheidung weiter zutreffend sei. Im Hinblick auf das im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erstmalig beantragte Merkzeichen H erging am 04.09.2013 ein weiterer Bescheid, in dem dieses Merkzeichen ebenfalls abgelehnt wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2013 wies das Landesamt für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin den Widerspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin und ihre Mutter waren zwischenzeitlich von C. nach O. verzogen.

Am 15.11.2013 hat die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, Klage beim Sozialgericht C. erhoben.

Mit Beschluss vom 16.05.2014 hat das Sozialgericht C...

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