Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Arbeitslosengeld eines im europäischen Ausland lebenden deutschen Staatsangehörigen
Orientierungssatz
1. Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und weiterhin der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates zur Verfügung stehen, erhalten nach Art. 71 EWGV Nr. 1408/71 bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Vorschriften dieses Staates, als ob sie in diesem Staat wohnten. Ein Wohnort in den Niederlanden steht einem Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht entgegen, weil Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts nach § 30 Abs. 2 SGB 1 unberührt bleiben.
2. Die jeweiligen Verhältnisse des Arbeitsmarktes bleiben bei der Prüfung der Anwendung von Art. 71 Abs. 1 b EWGV 1408/71 außer Betracht. Entscheidend ist allein, ob der betroffene Leistungsempfänger nach seinen individuellen beruflich verwertbaren Kenntnissen und Fähigkeiten eher im Ausland oder in Deutschland vermittelbar ist. War er immer in Deutschland beruflich tätig, ist sein Wohnort in den Niederlanden unbeachtlich.
Tenor
Der Bescheid vom 08.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, Arbeitslosengeld ab 15.09.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Der am 00.00.1951 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er wohnt in der niederländischen Grenzgemeinde L. unmittelbar hinter der deutschen Grenze. Vom 09.10.1989 bis zum 28.08.2005 stand er in einem Beschäftigungsverhältnis als Maschinenführer bei Firma U. C. GmbH. Nach Insolvenz der Firma endete das Arbeitsverhältnis aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs mit Ablauf des 30.11.2005. Am 13.09.2005 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld, er stellte sich ab dem 15.09.2005 zur Verfügung. Mit Schreiben vom 07.02.2006 lehnte der niederländische Leistungsträger einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung ab. Der Kläger erklärte, dass er sich nicht dem niederländischen, sondern dem deutschem Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle. Auf Anfrage durch die Beklagte teilte er in einem Fragebogen mit, er habe die Schule in Deutschland besucht, in Deutschland seine Berufsausbildung abgeschlossen und lediglich deutsche beruflich verwertbare Sprachkenntnisse. Er sei in Deutschland aufgewachsen, mit einer deutschen Ehefrau verheiratet und habe sämtliche sozialen Beziehungen in Deutschland. Seine Kinder besuchten die Schule in Deutschland. Er sei ausschließlich in Deutschland beruflich tätig gewesen. Die Beklagte erstellte eine Qualifikationsprofil, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 41 der Verwaltungsakte). Nachdem der niederländische Leistungsträger telefonisch mitgeteilt hatte, der Leistungsanspruch sei abgelehnt worden, weil der Kläger sich dem niederländischen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestellt habe, lehnte die Beklagte den Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 08.08.2006 ab. Gemäß § 30 SGB I stehe der Wohnsitz in den Niederlanden einem Leistungsanspruch in Deutschland entgegen. Der Kläger habe auch keinen Leistungsanspruch aufgrund der Vorschriften der VO (EWG) 1408/71. Im Widerspruchsverfahren meinte der Kläger, es könne nicht sein, dass ihm sowohl vom niederländischen als auch vom deutschen Leistungsträger die Leistung verweigert werde. Mit Bescheid vom 15.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keine enge persönliche und berufliche Bindung zu Deutschland, weshalb ein Leistungsanspruch aufgrund der Vorschriften der VO(EWG) 1408/71 ausscheide.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 05.12.2006 erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, er habe nur geringfügige niederländische Sprachkenntnisse. Seit Mai 2006 übe er in Deutschland eine geringfügige Beschäftigung aus. Auch habe er die Möglichkeit, demnächst bei einem Betreuungsdienst in I. zu arbeiten. Seine Vermittlungsaussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt seien günstiger als in den Niederlanden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 08.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld ab 15.09.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Vermittlungsaussichten in den Niederlanden seien nicht schlechter als in Deutschland.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Arbeitsvermittlers X. als Zeugen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Der Kläg...