Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Grenzgängers auf Arbeitslosengeld nach deutschem Recht
Orientierungssatz
1. Bei einem Sachverhalt mit Auslandsberührung ist zunächst zu ermitteln, wessen Staates Recht anwendbar ist. Nach Art. 71 EWGV 1408/71 erhalten echte Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates für sie gegolten hätten.
2. Wohnte der Beschäftigte in den Niederlanden und suchte er täglich seinen Beschäftigungsort in Deutschland auf, so ist niederländisches Recht auf ihn als sog. echten Grenzgänger anzuwenden.
3. Art. 71 EWGV 1408/71 stellt sicher, dass die Beitragszahlung eine entsprechende Versicherung bewirkt. Sowohl für die Beitragszahlung als auch für die Leistungsgewährung ergibt sich demnach eine unterschiedliche Zuständigkeit der in Betracht kommenden Mitgliedstaaten.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Arbeitslosengeldanspruch der Klägerin in Deutschland.
Die Klägerin ist 1965 in Deutschland geboren und nach eigenen Angaben auch in Deutschland aufgewachsen. Sie ist niederländische Staatsangehörige, da ihr Vater niederländischer Staatsangehöriger ist. Seit 1995 wohnt die Klägerin nach Heirat mit einem Niederländer in den Niederlanden, wo auch ihre Tochter zur Schule geht. Beruflich war die Klägerin nach eigenen Angaben immer in Deutschland tätig. Ihr letztes Arbeitsverhältnis vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 war eine Stelle als Textilverkäuferin in C. bei der A. u.T. GmbH, der deutschen Tochter einer niederländischen Filialkette. Vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 bezog die Klägerin Krankengeld/Übergangsgeld von der B. Rheinland.
Seit spätestens November 0000 bewarb sich die Klägerin bei verschiedenen Arbeitgebern in den Niederlanden. Im Mai 0000 beantragte sie bei der V. in I., Niederlande, WAO-Leitsungen. Ab dem 00.00. beantragte sie WW-Uitkering (Leistungen nach dem Werkloosheidswet), die der niederländische Träger ablehnte, weil die Klägerin ohne Not selbst gekündigt und damit ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe (Bescheid vom 00.00.0000). Die Klägerin, die sich bereits am 00.00.0000 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hatte, beantragte darauf hin am 00.00.0000 Arbeitslosengeld. Sie machte gesundheitliche Einschränkungen geltend, die sie mit einem Attest ihres Hausarztes in M., Niederlande, belegte.
Die Beklagte verneinte ihre Leistungsverpflichtung (Bescheid vom 00.00.0000). Nach § 30 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) bestehe ein Anspruch nur für Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, was bei der Klägerin nicht der Fall sei. Auch nach Europarecht (Artikel 71 VO 1408 aus 71) unterfalle die Klägerin nicht dem deutschen Rechtsstatut, sondern es sei der niederländische Träger für sie zuständig. Den Widerspruch wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 00.00.0000).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin beruft sich auf die Grundsätze der Entscheidung 1 BvR 809/95 des Bundesverfassungsgerichtes vom 30.12.1999, wonach arbeitslosen Grenzgängern § 30 SGB I nicht entgegengehalten werden könne, wenn in Deutschland Beitragspflicht bestanden habe. Diese Rechtsauffassung habe auch das LSG NRW sich in einem Termin vom 30.01.2004 (Aktenzeichen: L 9 AL 80/03) zu eigen gemacht. Das Sozialgericht Aachen habe mit Urteil vom 27.04.2007 (S 8 (11) AL 103/06) einen vergleichbaren Sachverhalt im Sinne der Klägerin entschieden. Es liege ein sogenannter "Miethe-Fall" nach der EuGH-Rechtsprechung vor, da die Klägerin die besten Vermittlungschancen in Deutschland habe, wohin auch ihre beruflichen und persönlichen Beziehungen wiesen. Sie beherrsche nicht ausreichend Niederländisch für eine erfolgreiche Vermittlung in den Niederlanden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.09.2005 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 03.04.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf einen Vermerk in ihren Akten vom September 0000, wonach die Klägerin ausgezeichnet niederländisch spreche.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Einholung einer Auskunft des niederländischen Trägers, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin kann kein Arbeitslosengeld in Deutschland beanspruchen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch nach innerstaatlichem deutschem Recht, denn deutsches Recht ist nicht anwendbar. Es liegt ein sog. Sachverhalt mit Auslandsberührung vor, weshalb zunächst zu ermitteln ist, das Recht welchen Staates - hier Niederlande oder Deutschland - anwendbar ist. Im Verhältnis der Niederlande zu Deutschland ergibt sich das Kollisionsrecht aus dem sog. supranationalen Recht, dem Recht der Europäischen Union, für den Bere...