Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungspflicht der Krankenkasse für ein Hochton-Therapiegerät zur Behandlung einer diabetischen Polyneuropathie
Orientierungssatz
1. Bei der Behandlung der Beine bei Diabetes mellitus zur Therapie einer distalen symmetrischen Polyneuropathie handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode, zu der der gemeinsame Bundesausschuss bisher eine Empfehlung nicht abgegeben hat mangels eines von irgendeiner Seite, auch nicht vom Hersteller, gestellten Antrags.
2. Wegen des Fehlens eines bisher gestellten Antrags ist eine Leistungspflicht der Krankenkasse aus dem Gesichtspunkt des Systemversagens ausgeschlossen.
3. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung bei Vorliegen einer notstandsähnlichen Krankheitssituation besteht gleichfalls nicht. Die bei diabetischer Polyneuropathie nicht fernliegende Gefahr einer Amputation ist mit den Ausnahmekriterien einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gleichzusetzen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für die zwischenzeitlich erfolgte Anschaffung eines sogenannten Hochton-Therapiegerätes der Serie HiToP® streitig.
Am 10.11.2008 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und beantragte sinngemäß die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines solchen Gerätes. Sie fügte ihrem Antrag eine ärztliche Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. I., einen Kostenvoranschlag der gbo-Medizintechnik AG zum Kauf eines HiToP® 191, eine von ihr selbst verfasste "detaillierte Aufzeichnung" ihres Diabetes, eine Produktinformation der Firma gbo-Medizintechnik AG für Patienten, einen Zeitungsausschnitt vom 04.04.1997 sowie den Entwurf eines Mietvertrages zwischen ihr und der gbo-Medizintechnik AG sowie zweier unterschiedlicher Ratenkaufverträge bei. Die Beklagte leitete den Antrag an ihren beratenden Arzt Dr. H. vom MDK Aachen weiter. Dieser vertrat in einer kurzen Stellungnahme die Auffassung, die Spezifität des Gerätes sei sehr fraglich. Es handele sich um eine unkonventionelle Methode. Eine Notwendigkeit der Versorgung der Klägerin mit dem Gerät ergebe sich nicht.
Mit Bescheid vom 12.11.2008 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Gerät ab. Hiergegen legte die Klägerin am 03.12.2008 Widerspruch ein. Die Methode sei bei ihr überaus erfolgreich. Am 05.01.2009 erstellte Dr. N. vom MDK Nordrhein ein sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage. In diesem stellt er zunächst fest, die Klägerin leide unter distaler symmetrischer Polyneuropathie beider Beine bei Diabetes mellitus (G 63.2). Die von der Klägerin begehrte Kostenübernahme für die Anschaffung eines Hochton-Therapiegerätes komme trotz dieser Erkrankung gleichwohl nicht in Betracht. Nach Angaben des Erfinders der Hochtontherapie handele es sich bei der Hochton-Therapie um eine Weiterentwicklung der Elektro-Therapie, speziell der Mittelfrequenz-Therapie, die als Ganzkörperbehandlung, kombiniert mit einer oder mehreren lokalen Behandlungen, durchgeführt werde. Das Besondere der HiToP® im Vergleich zur klassischen Elektrotherapie sei die gleichzeitige Modulation von Amplitude und Frequenz des Stromes. Die Modulation könne entweder gleich oder gegensinnig eingestellt werden, um die Reizung nach Bedarf härter oder weicher zu gestalten. Jegliche Reizung könne auf ein Minimum beschränkt oder sogar in seltenen Fällen völlig weggelassen werden. Die Geräte der HiToP®-Serie arbeiteten in Frequenzbereichen zwischen 4096 bis 32768 Hz. Die klassische Elektrotherapie stimuliere Nerven und Muskeln, die HiToP® hingegen wirke mehr direkt auf den Zellstoffwechsel, sie schließe Energie im Körper ein, um das Energiepotential der Zellen zu steigern. Aufgrund dieser vom Hersteller hervorgehobenen Unterschiede müsse das HiToP® als neues Heilmittel angesehen werden. Dieses sei indes durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt. Es seien bisher auch keine belastbaren Ergebnisse von klinischen Studien veröffentlicht, die die Wirksamkeit diese Behandlungsverfahrens belegten.
Mit Schreiben vom 15.01.2009 wandte sich der behandelnde Arzt Dr. I. an die Beklagte und führte aus, es sei zutreffend, dass es sich bei der Hochton-Therapie um eine unkonventionelle Behandlungsmethode handele. Dass diese kein anerkanntes Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sei, sei ihm auch bekannt. Allerdings sei durchaus Fakt, dass sich die Beschwerden bei der Klägerin unter Anwendung der entsprechenden Hochton-Therapie gebessert hätten, was beim Einsatz von Medikamenten nicht der Fall gewesen sei. Mit Schreiben vom 23.01.2009 wandte sich auch die gbo-Medizintechnik AG an die Beklagte und führte aus, es gebe eine Vielzahl nationaler und internationaler Studien, die die Wirksamkeit und die Effekte der Therapie klar und nachvollziehbar belegten. Am 09.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Am 18.02.2009 übersandte die gb...