Tenor

Der Bescheid vom 17.06.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2020 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung darstellt.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger wegen der hieraus resultierenden Folgen Verletztenrente nach einer MdE von 20 vom Hundert der Vollrente nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war von 1983 bis 1987 als Bauhelfer tätig. Seit 1988 bis zuletzt war er bei verschiedenen Arbeitgebern als Fliesenleger beschäftigt.

Nachdem der Facharzt für Orthopädie Dr. E. der Beklagten unter dem 08.01.2020 den Verdacht einer Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen) angezeigt hatte, nahm die Beklagte Ermittlungen auf und zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers bei. Ferner wertete sie Berichte des St. F. Krankenhauses H. - Unfallchirurgie und Orthopädie - vom 13.12.2019 sowie des I.-K. Krankenhauses F. - Klinik für Unfall-, Hand-, Fuß- und orthopädische Chirurgie - vom 28.11.2019 aus. Nach Auswertung weiterer Berichte des MVZ V-Q vom 07.08.2019 und vom 21.02.2020 sowie des Arztes für Orthopädie Dr. X. vom 15.01.2007 und vom 05.05.2011 zog sie medizinische Unterlagen des Radiologen Dr. V. vom 03.09.2019, des Radiologen Dr. C vom 21.11.2019 und des Radiologen Dr. L. vom 11.12.2006 bei und veranlasste eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes. Dieser errechnete unter 15.05.2020 im Hinblick auf eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten Verordnung - BKV (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen (der Lendenwirbelsäule) geführt haben) eine kumulative Gesamtbelastung von 30,7 Meganewtonstunden (MNh) und verneinte eine besonders intensive Belastung sowie ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen.

Daraufhin holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. B. vom 04.06.2020 ein, der die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers in die Konstellation B2 mit Erfüllung des 1. Zusatzkriteriums der sog. Konsensempfehlungen (Bolm-Audorff u.a.: Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (I); Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.) einordnete und eine Zusammenhangsbegutachtung empfahl.

Mit Bescheid vom 17.06.2020 lehnte die Beklagte eine Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ab. Zur Begründung führte sie aus, zwar leide der Kläger an einem bisegmentalen Bandscheibenschaden in den Segmenten L 4/5 und L 5/S1. Die Konsensempfehlungen setzten indessen eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule in mindestens drei Segmenten voraus. Es handele sich somit um die Konstellation B3 im Sinne der Konsensempfehlungen, für die unter den Verfassern kein Konsens bestanden habe.

Der Kläger legte am 01.07.2020 Widerspruch ein und begründete diesen unter Hinweis auf ein Attest des Unfallchirurgen Dr. I. vom 08.09.2020.

Die Beklagte wies den Widerspruch unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2020 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 16.11.2020 erhobene Klage.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 17.06.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2020 abzuändern und festzustellen, dass die Erkrankung seiner Lendenwirbelsäule eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankhei-tenverordnung darstellt,

sowie,

die Beklagte zu verpflichten, ihm wegen der hieraus resultierenden Folgen Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 vom Hundert der Vollrente nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts zahlreiche bildgebende Befunde der Lendenwirbelsäule des Klägers beigezogen und eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie Dr. T. veranlasst. Dr. T. ist im Rahmen seines Gutachtens vom 23.09.2021 zu dem Ergebnis gelangt, es liege bei dem Kläger die Konstellation B2 vor. Die Konsensempfehlungen verlangten lediglich eine Höhenminderung oder Vorfälle in mindestens zwei Segmenten. Im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme vom 06.10.2021 hat Dr. T. die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 210...

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