Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme einer Wangenauffüll-Behandlung bei HIV-Infektion

 

Orientierungssatz

1. Eine Wangenauffüll-Behandlung mit "New-Fill/Sculptra®" bei einer HIV-Infektion bzw AIDS-Erkrankung ist eine Behandlungsmethode, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden kann.

2. Eine Kostenübernahme kann auch nicht nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 erfolgen, da nicht die HIV-Infektion bzw die AIDS-Erkrankung, sondern die Lipodystrophie (Fettumverteilungsstörung) behandelt wird. Dabei handelt es sich jedoch um keine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf eine Wangenauffüll-Behandlung mit "New-Fill/Sculptra®".

Der 1960 geborene Kläger leidet an einer HIV-Infektion und ist an AIDS erkrankt. Wahrscheinlich infolge der antiretroviralen medikamentösen Therapie hat sich bei ihm ein Schwund des Fettgewebes im Gesicht und im Bereich des unteres Körperstammes eingestellt (sog. Lipodystrophie).

Am 16.11.2005 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für eine operative Rekonstruktion des Gesichts -, speziell des Wangenbereichs. Er legte eine Bescheinigung des behandelnden Internisten Dr. K. vor, in der 3 Therapiealternativen und deren Kosten aufgelistet waren: a) New Fill: ca. 2.150,- EUR b) Gortes-Implantationen: ca. 4.090,- EUR c) Fettinjektionen: ca. 4.090,- EUR Ein erster Antrag war bereits durch Bescheid vom 20.01.2003 und Widerspruchsbescheid vom 26.02.2004 bestandskräftig abgelehnt worden. Den neuen Antrag begründete der Kläger mit einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die seines Erachtens eine Neubewertung notwendig mache.

In von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 31.01. und 28.04.2006 stellte Dr. N. fest, alle 3 Therapieverfahren seien bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht beraten und empfohlen worden. Die vorgelegten Fotos ließen beim Kläger kein entstellendes Aussehen erkennen. Der behandelnde Arzt berichte, dass sich der Kläger durch sein Aussehen diskriminiert fühle; hier komme psychotherapeutische Behandlung in Betracht; der Umstand, dass jemand von seiner Erkrankung gezeichnet sei, begründe nicht generell einen Anspruch auf Wiederherstellung des früheren gesunden Aussehens. New Fill® sei im Übrigen kein apothekenpflichtiges Medizinprodukt.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 03.05.2006 ab. Den dagegen am 17.05.2006 eingelegten Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 21.08.2006 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 21.09.2006 Klage erhoben. Er meint, dass in seinem Fall die äußeren Veränderungen und die durch die eingefallenen Wangen bedingten Kaubeschwerden und Schmerzen so erheblich seien, dass er eine Behandlung mit New Fill® benötige. Er verweist hierzu auf eine Stellungnahme seines behandelnden Internisten Dr. K. vom 28.05.2007.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2006 zu verurteilen, ihm eine New Fill®-Behandlung zwecks Ausgleich des Fettgewebsschwundes im Wangenbereich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.

Das Gericht zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem Dermatologen Dr. G. eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 12.04.2007 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf eine (operative) Wangenauffüll-Behandlung mit New-Fill/Sculptra® zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB ...

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