Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Rentenabschlag. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Nach Auffassung der Kammer haben - entgegen der Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = BSGE 96, 209 = SozR 4-2600 § 77 Nr 3 - Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine Minderung des Zugangsfaktors um 0,108 hinzunehmen (vgl SG Aachen vom 9.2.2007 - S 8 R 96/06, vom 20.3.2007 - S 13 R 76/06, vom 15.5.2007 - S 13 (4) R 55/07, SG Saarbrücken vom 8.5.2007 - S 14 R 82/07, SG Augsburg vom 23.4.2007 - S 3 R 26/07, SG Köln vom 12.4.2007 - S 29 (25) R 337/06 und SG Altenburg vom 22.3.2007 - S 14 KN 64/07).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.01.2010; Aktenzeichen B 13 R 483/09 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war zuletzt als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Unter dem 00.00.0000 stellte er einen Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation sowie unter dem 00.00.0000 einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Mit Bescheid vom 00.00.0000 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 00.00.0000. Die der Rente zugrunde liegenden Summe aller Entgeltpunkte betrug 42,1860. Die Beklagte ging in diesem Bescheid von einem Rentenzugangsfaktor von 0,892 aus, weil sich der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat nach dem 00.00.0000, dem Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003 (insgesamt 36 x 0,003 = 0,108) vermindere. Die auf dieser Grundlage von der Beklagten berechneten persönlichen Entgeltpunkte des Klägers betrugen 37,6299 (42,1860 x 0,892). Im Versicherungsverlauf des Bescheides vom 00.00.0000 waren 19 Monate Zurechnungszeit (beginnend mit dem 00.00.0000 bis 00.00.0000) sowie weitere 67 Monate Zurechnungszeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 gespeichert. Auf den Widerspruch des Klägers legte die Beklagte die freiwillige Krankenversicherung des Klägers zu Grunde und berechnete die Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 00.00.0000 neu. Mit weiterem Bescheid vom 00.00.0000 half sie dem Widerspruch unter Zugrundelegung weiterer rentenrechtlicher Zeiten vollständig ab. Am 00.00.0000 stellte der Kläger einen Antrag auf Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 00.00.0000 hinaus. Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 00.00.0000 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 00.00.0000 hinaus auf Dauer und legte hierbei einen Zugangsfaktor von 0,892 zu Grunde. Der Kläger legte am 00.00.0000 unter Hinweis auf die Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 16.05.2006 (Az.: B 4 RA 22/05 R) Widerspruch ein und führte aus, er "erwarte nunmehr Neufeststellung der Rente". Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 zurück und führte aus, sie folge dem Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts nicht.

Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, die Minderung des Zugangsfaktors um 0,108 verstoße gegen die Vorschrift des § 77 Abs. 2 SGB VI und sei im Übrigen verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 00.00.0000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verurteilen, ihm ungekürzte Rente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 ab dem 00.00.0000 nach Maßgabe der gesetz- lichen Vorschriften zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen sowie die Sprungrevision zuzulassen.

Sie hält unter Hinweis auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 77 Abs. 2 SGB VI an ihrer bisherigen Auffassung fest.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf diese Möglichkeit in der schriftlichen Terminsladung hingewiesen ist, §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), zumal er auf telefonische Nachfrage ausdrücklich erklärt hat, an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen zu wollen.

Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist unzulässig, soweit der Kläger eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 00.00.0000 begehrt. Denn der Bescheid vom 00.00.0000 ist bestands...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?