Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Elterngeldes für einen selbständigen Erwerbstätigen
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit i. S. von § 2d BEEG zur Berechnung des Elterngeldes sind nach § 2b Abs. 2 S. 1 BEEG die jeweiligen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen. Dabei ist erforderlich, dass der Elterngeldberechtigte in diesem Zeitraum aus dieser selbständigen Erwerbstätigkeit Gewinn hatte.
2. Hatte der Kindergeldberechtigte nur negative Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit, so ist das Elterngeld entsprechend dem nach § 2b Abs. 1 BEEG einschlägigen Bemessungszeitraum zu bestimmen. Das danach ermittelte Netto-Bemessungsentgelt ist unter Berücksichtigung des gemäß § 2 Abs. 2 BEEG maßgeblichen Prozentsatzes von 65 % dem monatlichen Elterngeldbetrag zugrunde zu legen.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 08.01.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2015 verurteilt, der Klägerin für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes N. weitere 512,84 EUR Elterngeld zu zahlen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes, insbesondere darüber, welcher Zeitraum der Bemessung des Elterngeldes zugrunde zu legen ist.
Die am 00.00.0000 geborene verheiratete Klägerin gebar am 07.10.2014 ihr erstes Kind N ... Vor der Geburt war die Klägerin seit Oktober 2008 - und auch in den Jahren 2013 und 2014 - als Bürokauffrau nichtselbstständig erwerbstätig. Ihr Bruttogehalt betrug von Januar bis Juli 2013 monatlich 2.100,00 EUR, im August und September 2013 monatlich 2.226,00 EUR, ab Oktober 2013 monatlich 2.163,00 EUR, ab April 2014 monatlich 2.500,00 EUR, jeweils zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen (VWL) von 26,59 EUR. Zusätzlich erhielt die Klägerin Urlaubsgeld für Juni 2013 in Höhe von 1.050,00 EUR und für Juni 2014 in Höhe von 1.250,00 EUR, desweiteren mit dem Gehalt für November 2013 Weihnachtsgeld in Höhe von 1.081,50 EUR; diese Leistungen waren in den Gehaltsabrechnungen als "sonstiger Bezug" (S) gekennzeichnet.
Am 20.11.2014 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes mit der Bitte, die Leistung nach dem Einkommen der letzten zwölf Monate vor der Geburt zu berechnen. Sie legte Gehaltsabrechnungen für die Monate Januar 2013 bis November 2014 und den Einkommensteuer-(ESt-)Bescheid vom 09.07.2014 für das Kalenderjahr 2013 vor. Ausweislich des ESt-Bescheides hatte die Klägerin im Jahre 2013 (negative) Einkünfte von -672,00 EUR.
Durch Bescheid vom 08.01.2015 bewilligte die Beklagte Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes. Sie setzte die Zahlbeträge für den ersten bis vierten Lebensmonat auf jeweils 0,00 EUR, für den fünften Lebensmonat auf 744,35 EUR und für den sechsten bis zwölften Lebensmonat auf jeweils 868,71 EUR fest. Hieraus ergab sich ein Gesamtelterngeldanspruch von 6.823,22 EUR. Der Bemessung des Elterngeldes legte die Beklagte die Bruttogehälter der zwölf Monate von Januar bis Dezember 2013 abzüglich eines monatlichen Werbungskostenpauschbetrages von 83,33 EUR zugrunde. Hieraus ergab sich ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt von 2.080,01 EUR und nach Abzug von (pauschalen) Steuern, Solidaritätsbeitrag und Sozialversicherungsabgaben in Höhe von 744,00 EUR ein monatliches Nettoentgelt von 1.336,01 EUR. Entsprechend dem für die Klägerin maßgeblichen Prozentsatzes von 65 % ergab sich ein monatlicher Elterngeldbetrag von 868,41 EUR. Das von der Klägerin bis 10.02.2015 bezogene Mutterschaftsgeld berücksichtigte die Beklagte für den ersten bis vierten Lebensmonat in vollem Umfang und für den fünften Lebensmonat anteilig (für vier Tage) leistungsmindernd.
Dagegen erhob die Klägerin am 23.01.2015 Widerspruch. Sie meinte, maßgeblicher Bemessungszeitraum seien die zwölf Monate vor der Geburt des Kindes. Im Übrigen wandte sie sich gegen die Nichtberücksichtigung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes als Bemessungsentgelt.
Durch Widerspruchsbescheid vom 19.05.2015 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch unter Hinweis auf ein aufklärendes Schreiben der Beklagten vom 03.03.2015 zurück. In diesem Schreiben hatte die Beklagte auf die Vorschrift des § 2b Abs. 3 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) hingewiesen; aus dieser ergebe sich, welcher Zeitraum der Berechnung des Elterngeldes bei Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit zugrunde zu legen sei. Wenn im letzten Veranlagungszeitraum vor der Geburt - hier: im Kalenderjahr 2013 - eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei, sei dieses Veranlagungsjahr für die Bemessung des Elterngeldes maßgeblich, und zwar auch dann, wenn in diesem Zeitraum eine nichtselbstständige Tätigkeit ausgeübt word...