Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Einkommensermittlung. Mischeinkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Anwendbarkeit des § 2b Abs 3 S 1 BEEG nur bei positiven Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Hat der Elterngeldberechtigte neben seiner unselbständigen Tätigkeit entweder im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt oder im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, ist § 2b Abs 3 S 1 BEEG nur dann anwendbar, wenn der Elterngeldberechtigte aus dieser selbstständigen Erwerbstätigkeit positive Einkünfte erzielt hat.

 

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 24.07.2013 in Gestalt des Bescheids vom 28.11.2013 sowie in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19.02.2014 verurteilt, der Klägerin für ihren am XX.XX.2013 geboren Sohn C. höheres Elterngeld unter Zugrundelegung des im Zeitraum Mai 2012 bis April 2013 erzielten Einkommens aus nichtselbständiger Tätigkeit zu zahlen.

II. Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), insbesondere die Frage, welcher Zeitraum der Elterngeldbemessung zugrunde zu legen ist.

Die am XX.XX.1982 geborene Klägerin ist die Mutter des am XX.XX.2013 geborenen Kindes C.. Sie lebt unverheiratet mit dem anderen Elternteil und ihrem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland. Vor der Geburt des Kindes war die Klägerin angestellt erwerbstätig. Außerdem betrieb sie in der Zeit vom 01.01.2012 bis 13.05.2012 ein Gewerbe im Marketingbereich, aus dem sie lediglich Verluste erwirtschaftete. Ab dem 05.05.2013 bis zum 12.08.2013 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro kalendertäglich sowie einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 66,69 Euro kalendertäglich.

Am 01.07.2013 beantragten beide Elternteile die Bewilligung von Elterngeld, wobei die Klägerin Elterngeld für den ersten bis neunten und den zwölften Lebensmonat (= Zeiträume 17.06.2013 bis 16.03.2014; 17.05.2014 bis 16.06.2014), der andere Elternteil Elterngeld für den zweiten sowie den zehnten bis zwölften Lebensmonat (= Zeiträume 17.07.2013 bis 17.08.2013; 17.03.2014 bis 16.06.2014) beanspruchen wollte.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit vorläufigem Bescheid vom 24.07.2013 antragsgemäß Elterngeld in Höhe von 946,38 Euro, wobei sich unter Anrechnung des bezogenen Mutterschaftsgeldes und des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld im ersten Lebensmonat kein und im zweiten Lebensmonat ein anteilig gekürzter Anspruch in Höhe von 122,12 Euro errechnete. Der Elterngeldbemessung legte der Beklagte das für das Kalenderjahr 2012 glaubhaft gemachte Einkommen aus nichtselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit zugrunde, da der maßgebliche Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2012 noch nicht vorlag.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.08.2014 Widerspruch ein und machte geltend, dass für die Elterngeldbemessung wegen der Aufgabe des Gewerbes zum 13.05.2012 lediglich das Einkommen aus der nichtselbstständigen Tätigkeit maßgeblich und nach § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG für die Ermittlung des Einkommens aus der nichtselbstständigen Tätigkeit auf die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt abzustellen sei.

Auf den Antrag der Klägerin vom 25.11.2013 erfolgte mit vorläufigem Bescheid vom 28.11.2013 eine Änderung des Bezugszeitraums auf die Lebensmonate eins bis zwölf (= Zeitraum 17.06.2013 bis 16.06.2014).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2014 zurück. Die Klägerin habe sowohl im letzten Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes (Kalenderjahr 2012) als auch im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit und aus Gewerbebetrieb gehabt. Dabei lägen Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch dann vor, wenn dieser im Saldo zu Null- oder Negativeinkommen geführt habe. Im Übrigen sei die Gewerbeabmeldung erst am 19.07.2013 rückwirkend zum 13.05.2012 erfolgt. Abweichend von § 2b Abs. 1 BEEG sei für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt der steuerliche Veranlagungszeitraumraum maßgeblich, der den Gewinnermittlungszeiträumen nach § 2b Abs. 2 BEEG zugrunde liege, wenn die berechtigte Person in den Zeiträumen nach § 2b Abs. 1 oder Abs. 2 Einkommen aus Gewerbebetrieb gehabt habe. Da die Klägerin in den maßgeblichen Zeiträumen - Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes bzw. Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes - wie oben ausgeführt, Einkommen aus Gewerbebetrieb gehabt habe, sei der letzte abgeschlossene Veranlagungszeitraum, also das Kalenderjahr 2012 für die Berechnung des Elterngeldes maßgeblich. Durch das Einkommen aus Gewerbebetrieb werde der Bemessungszeitraum bestimmt. Eine Günstigerprüfung bzw. eine Wahlmöglichkeit sei gesetzlich nicht vorgese...

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