Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommensermittlung. Mischeinkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. geringer Gewinn aus freiberuflicher Arbeit. Unterschied der Elterngeldhöhe je nach Bemessungszeitraum. 20%-Grenze. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. unechte Rückwirkung. Vertrauensschutz
Orientierungssatz
1. Hat der Elterngeldberechtigte Einkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit erlangt, gilt die Heranziehung des letzten steuerlichen Veranlagungszeitraums nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG auch dann, wenn die Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit im Veranlagungszeitraum nur geringfügig waren (hier Einnahmen aus freiberuflicher Arbeit in Höhe von 2 % des Gesamteinkommens).
2. Angesichts des weiten gesetzgeberischen Ermessens und der typischerweise relativ geringen Auswirkungen auf die Höhe des zu gewährenden Elterngelds ist eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG nicht gegeben.
3. Die zur alten Rechtslage für den Fall eines Zusammentreffens von selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit ergangene Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 5, vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R und B 10 EG 2/10 R sowie vom 5.4.2012 - B 10 EG 4/11 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 13), wonach gemäß § 2 Abs 9 BEEG aF für die Bemessung der Höhe des Elterngelds nur dann auf den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum zurückgegriffen werden konnte, wenn die im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes und die im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum durchgängig ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit ihrer Art nach übereinstimmte und deren zeitlicher Umfang in beiden Zeiträumen um weniger als 20 Prozent voneinander abwich, ist nach Auffassung des Gerichts nicht mehr maßgeblich.
4. Eine unechte Rückwirkung eines Gesetzes ist grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2014 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), insbesondere die Frage, welcher Zeitraum der Elterngeldbemessung zugrunde zu legen ist.
Die am XX.XX.1976 geborene, verheiratete Klägerin ist die Mutter des am XX.XX.2013 geborenen Kindes C.. Sie lebt mit ihrem Ehemann, ihrem Sohn und dem weiteren, am XX.XX.2010 geborenen Sohn D. in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland. Vor der Geburt C.s war die Klägerin teilzeitbeschäftigt als Angestellte beim Deutschen Landwirtschaftsverlag in B-Stadt in einem Umfang von 20 Wochenstunden, außerdem bezog sie Einkommen aus selbstständiger Arbeit als freie Redakteurin und Autorin. In der Zeit vom 23.07.2013 bis zum 29.10.2013 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro kalendertäglich sowie einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 63,01 Euro kalendertäglich.
Auf den Antrag der Klägerin vom 24.09.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit vorläufigem Bescheid vom 16.10.2013 antragsgemäß Elterngeld für C. für den ersten bis zwölften Lebensmonat (= Zeitraum 27.08.2013 bis 26.08.2014). Dabei errechnete der Beklagte unter Berücksichtigung des bezogenen Mutterschaftsgeldes und Arbeitgeberzuschusses sowie des Geschwisterbonus für D. bis zum dritten Lebensmonat im ersten und zweiten Lebensmonat keinen, im dritten Lebensmonat einen anteiligen Elterngeldanspruch in Höhe von 801,36 Euro, im vierten Lebensmonat einen Elterngeldanspruch in Höhe von 887,21 Euro sowie ab dem fünften Lebensmonat in Höhe von 806,55 monatlich. Dabei legte der Beklagte das im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt - d. h. das im Kalenderjahr 2012 - erzielte Einkommen aus der nichtselbstständigen und selbstständigen Erwerbstätigkeit zugrunde. Für den Bezugszeitraum ging der Beklagte gemäß den Angaben der Klägerin von einem Einkommen von 0 Euro aus.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 06.11.2014 Widerspruch ein und beantragte, die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit unberücksichtigt zu lassen und der Elterngeldbemessung das in Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt erzielte Einkommen zugrunde zu legen. Ihre Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hätten 2012 weniger als 2 % ihrer gesamten Einkünfte betragen. Wegen der seit dem 01.01.2013 geltenden Regelung des Bemessungszeitraums bewirke diese äußerst geringfügige selbstständige Arbeit eine Verschiebung ihres Bemessungszeitraums auf das Kalenderjahr 2012. Diese Verschiebung bedeute für sie ein um rd. 350 Euro geringeres Einkommen, da sie im Januar und Februar 2012 noch in Elternzeit mit ihrem älteren Kind D. gewesen sei und im ersten Halbjahr 2012 noch die Steuerklasse V gehabt habe. Sie werde also dafür bestraft, dass sie zusätzlich zu ihrer nichtselbstständigen Tätigkeit minimal freiberuflich gearbeitet habe. Die neue Regelung sei erst im September / Oktober 2012 beschl...