Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Entscheidung. Bedarf für Unterkunft und Heizung. Fehlen eines Grundes für eine vorläufige Entscheidung. Wertung als endgültige Entscheidung. Einkommensberücksichtigung. schwankendes Einkommen. Zugrundelegung eines Durchschnitts aus dem tatsächlichen Einkommen bei der endgültigen Entscheidung. fehlende Rechtsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorläufigkeit einer Bewilligung ist nur dann wirksam, wenn sie auf einem gesetzlichen Grund beruht. Soweit es an einem solchen gesetzlichen Grund nach § 43 SGB I oder nach § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II in Verbindung mit § 328 SGB III fehlt, ist die Bewilligung endgültig erfolgt und kann nur unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff SGB X zurückgenommen, wiederrufen oder aufgehoben werden.
2. Der Umfang der Vorläufigkeit einer Bewilligung ist nach § 328 Abs 1 S 2 SGB III im Bescheid anzugeben und kann sich wirksam nur auf die Bereiche des Bescheides erstrecken, auf die der gesetzliche Grund der Vorläufigkeit Auswirkungen hat.
3. Schwankendes Einkommen hat keine Auswirkungen auf den anzuerkennenden Bedarf, sondern nur auf die Deckung dieses Bedarfs.
4. Bei der endgültigen Festsetzung der Leistungsansprüche besteht keine Rechtsgrundlage für die Bildung und Zugrundelegung eines Durchschnitts aus dem tatsächlichen Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit. Außer im Ausnahmefall des § 2 Abs 3 S 3 ALG II-V (juris: AlgIIV 2008) ist für Nichtselbstständige bei der endgültigen Festsetzung nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes daher für jeden Monat gesondert das jeweils tatsächlich zugeflossene Einkommen nach dem Zuflussprinzip zu berücksichtigen.
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten 05.06.2015 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, insbesondere hinsichtlich der monatsgenauen endgültigen Berechnung und Bewilligung sowie der Unwirksamkeit der vorläufigen Anerkennung der Unterkunftskosten, endgültig neu zu bescheiden.
3. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
4. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger leben gemeinsam in einer Mietwohnung in der … in A. Für die ca. 58,5 qm große Wohnung ist eine monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von 438,86 Euro zu zahlen, die sich aus 299,52 Euro Kaltmiete, 71,24 Euro Vorauszahlungen auf kalte Betriebskosten und 68,00 Euro Heizkostenvorauszahlung zusammensetzt. Die Klägerin zu 1 ist geringfügig beschäftigt bei einem monatlichen Einkommen von 100,00 Euro. Der Kläger zu 2 ist versicherungspflichtig beschäftigt und erzielt ein monatlich unterschiedlich hohes Einkommen.
Auf Antrag der Kläger bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 14.01.2015 für den Zeitraum 01.12.2014 bis 31.12.2014 zunächst Leistungen in Höhe von 203,06 Euro und für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2104 in Höhe von 217,26 Euro vorläufig. Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete der Beklagte hinsichtlich der Anerkennung der Kosten der Unterkunft und Heizung mit der noch ausstehenden neuen KdU-Richtlinie des A. Landes und im Übrigen mit dem schwankenden Einkommen des Klägers zu 2.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2015 zurück.
Nach Klageerhebung unter dem 02.04.2015 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum 01.12.2014 bis 31.05.2015 mit Bescheid vom 05.06.2015 endgültig fest.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage und führen zur Begründung unter anderem aus, dass die vorläufige Bewilligung, soweit sie mit der ausstehenden KdU-Richtlinie begründet wurde, rechtswidrig gewesen sei, da ein entsprechender Grund gesetzlich nicht vorgesehen sei. Im Übrigen habe der Beklagte im Monate Dezember 2014 bei Erlass des Bescheids vom 14.01.2015 bereits alle Daten zur endgültigen Bewilligung jedenfalls für den Monat Dezember 2014 zur Verfügung gehabt, sodass auch hier eine vorläufige Bewilligung nicht rechtmäßig ergangen sei.
Hinsichtlich der endgültigen Festsetzung habe der Beklagte unrechtmäßig eine Durchschnittsberechnung mit dem Einkommen des Klägers zu 2 vorgenommen und die Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Rechtsgrundlage gekürzt, da die KdU-Richlinie des A. Landes nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts entspreche. Dies unter anderem deshalb, weil der vorhandene Mietspiegel der Stadt A., geltend ab dem 01.01.2014 bis zum 31.12.2015, in dem der Richtlinie zu Grunde liegenden Konzept keine Beachtung gefunden habe.
Die Kläger beantragen:
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung des Bescheids vom 14.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.03.2015, Leistungen für den Zeitraum 01.12.2014 bis 31.05.2015, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Vorläufigkeit der Bewilligung sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei die Berechnung nach dem Durchschnittseinkommen korrekt erfolgt und durch § 2 Abs. 3 Alg II-V ...