Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage ohne vorausgehende Nachfrage bei der Behörde. Kostenentscheidung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Antrag auf vollständige und umfassende Überprüfung eines Bescheides. Überprüfungspflicht des Leistungsträgers

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Kostenerstattung bei Untätigkeitsklage ohne Rückfrage bei der Behörde.

 

Orientierungssatz

Grundsätzlich muss der Leistungsträger die Überprüfung eines Bescheides vornehmen, nur im Ausnahmefall kann dies anders sei. Dies gilt auch, wenn zumindest der Umfang der Prüfung (hier: Antrag auf vollständige und umfassende Überprüfung) gut erkennbar ist, obschon keinerlei weitere Gründe für die Annahme der Unrichtigkeit genannt sind.

 

Tenor

Der Beklagte hat ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu erstatten.

 

Gründe

Gemäß § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das gerichtliche Verfahren anders als durch Urteil endet. Für die Kostenentscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Weiter sind die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen (vgl. BayLSG, Beschluss vom 3. Februar 2009, L 20 B 201/08 R).

Gegenstand des Verfahrens war eine Untätigkeitsklage zwecks Entscheidung über einen Überprüfungsantrag bezüglich des Bescheids des Beklagten vom 7. Februar 2017; damit wurde über die vorläufige Leistungsbewilligung für März und April 2017 geändert. Ziel des nicht konkretisierten Antrags vom 6. April 2017 war die vollständige und umfassende Überprüfung des Bescheids vom 7. Februar 2017. Am 16. Oktober 2017 ist - ohne weitere Rückfrage beim Beklagten - die vorliegende Untätigkeitsklage erhoben worden. Unter dem 30. Oktober 2017 hat der Beklagte sodann die Überprüfung des Bescheids vom 7. Februar 2017 abgelehnt. Das Verfahren ist inzwischen für erledigt erklärt und Kostenentscheidung durch das Gericht beantragt worden.

Die Klägerseite hat geltend gemacht, der Beklagte habe keine Gründe für seine Untätigkeit genannt. Dieser wiederum hat eingewendet, der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Denn aufgrund des gestellten Überprüfungsantrags ohne Konkretisierung habe die begehrte Sachprüfung nicht vorgenommen werden können. Damit wäre dem Überprüfungsbegehren nur formell entsprochen. Hieran könne kein schutzwürdiges Interesse bestehen.

Angesichts dieser Umstände entspricht es der Billigkeit, dass der Beklagte ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerseite erstattet.

Der Überprüfungsantrag wurde nicht innerhalb der Frist nach § 88 Abs. 1 SGG beschieden. Das Gericht geht jedoch nicht davon aus, dass die Untätigkeitsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig war. Zu sehen ist, dass die Frage, ob ein Überprüfungsantrag eine inhaltliche Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016, B 4 AS 37/15 R), nicht immer ohne Weiteres zu entscheiden ist. Grundsätzlich muss der Leistungsträger eine Überprüfung vornehmen und nur im Ausnahmefall kann dies anders sein. Dies spricht dagegen, die Prüfung bereits im Rahmen der Zulässigkeit einer (Untätigkeits-)Klage vorzunehmen, sondern dies muss regelmäßig der Begründetheit vorbehalten bleiben. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall, bei dem nicht offenkundig ein unzureichender Überprüfungsantrag gestellt worden war. Für den Beklagten war zumindest der Umfang der Prüfung ("vollständig und umfassend") gut erkennbar, obschon keinerlei weitere Gründe für die Annahme der Unrichtigkeit genannt worden waren. Schließlich stellt der Beklagte seinen Standpunkt selbst dadurch infrage, dass er inzwischen entschieden hat, ohne dass eine weitere Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens erfolgt wäre.

Gegen eine Kostenerstattung kann ferner nicht ins Feld geführt werden die fehlende Konkretisierung des Antrags vom 6. April 2017. Dies würde vielmehr allein bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen sein, falls dem Überprüfungsantrag schlussendlich Erfolg beschieden sein sollte.

Allerdings hätte sich eine Nachfrage, Aufforderung zur Entscheidung oder sonstige Reaktion gegenüber dem Beklagten vor Erhebung einer Untätigkeitsklage aufgedrängt. Der Beklagte hat außerdem zumindest zügig nach Erhebung der Untätigkeitsklage entschieden und die sechsmonatige Entscheidungsfrist war bei Klageerhebung nur unwesentlich überschritten.

In der Gesamtschau hält das Gericht deswegen eine Kostenerstattung in Höhe eines Viertels für angemessen. Dem Beklagten ist zumindest anzulasten, dass er die nun erfolgte Entscheidung, welche ohne Sachprüfung vorgenommen wurde, bereits früher ohne größeren Aufwand hätte treffen können. Dadurch hat er die Klageerhebung mit veranlasst. Dies wiegt in der Summe aber nicht derart schwer, dass eine höhere Kostenerstattungsquote gerechtfertigt ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?