Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Entscheidung der Eltern über schulischen Lernort nach EUG BY 2000. Dolmetscher für Gebärdensprache. inklusive Beschulung. Prüfung der Angemessenheit und Geeignetheit. Heranziehung des Gutachtens des Förderzentrums zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und Empfehlung des Förderorts. kein Anspruch aus Art 24 UNBehRÜbk
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG, juris: EUG BY 2000) idF ab 1.8.2011 entscheiden die Eltern darüber, an welchem rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden schulischen Lernort ihr Kind unterrichtet werden soll. Die Schulbehörden prüfen danach weder den Förderbedarf, noch geben sie eine Empfehlung für eine bestimmte Schule ab.
2. Die Entscheidung der Eltern für eine inklusive Beschulung eines Kindes an einer Regelschule ersetzt die Prüfung der Angemessenheit und Geeignetheit dieser Beschulung jedenfalls dann nicht, wenn die Beschulung dort nur mithilfe eines Schulbegleiters erfolgen kann. Über die Voraussetzungen für die Schulbegleitung entscheidet der zuständige Träger der Eingliederungshilfe nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften.
3. Für die Prüfung, ob die Beschulung eines einzelnen gehörlosen Kindes an einer Regelgrundschule mithilfe eines Gebärdendolmetschers eine angemessene Schulbildung iS des Eingliederungshilferechts darstellt, ist auch das Gutachten des Förderzentrums zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und Empfehlung des Förderorts heranzuziehen. Jedenfalls nach den im Eilverfahren zugänglichen Erkenntnisquellen stellt die Beschulung eines einzelnen gehörlosen Kindes an einer Regelgrundschule mithilfe eines Gebärdendolmetschers und Unterstützung allenfalls durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst im Umfang von einer Stunde wöchentlich mangels ausreichender Förderung keine angemessene Schulausbildung dar.
Orientierungssatz
Aus Art 24 des Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 - sog UN-Behindertenkonvention (juris: UNBehRÜbk) lässt sich weder ein unmittelbarer Anspruch noch eine Aussage zur richtigen Beschulung des Hilfebedürftigen herleiten.
Tenor
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Gebärdendolmetschers für die Beschulung der Antragstellerin an der Volksschule A-Stadt.
Die am 2005 geborene Antragstellerin ist hochgradig hörgeschädigtes Kind hörgeschädigter Eltern. Das häusliche Kommunikationsmittel und ihre Muttersprache ist die Gebärdensprache (DGS).
Seit 01.01.2009 besuchte sie die Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) des Förderzentrums A. .
Da die Erzieherinnen der SVE nicht DGS gebärdeten, sondern mit lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) kommunizierten, bewilligte der Antragsgegner während des letzten Kindergartenjahres bereits einen Gebärdendolmetscher im Umfang von zwei Stunden wöchentlich. Das Förderzentrum teilte hierzu mit Schreiben vom 18.10.2010 mit, dass die Antragstellerin tatsächlich aufgrund einer für sie ungünstigen Gruppenzusammensetzung in eine Gruppe mit höheren Anforderungen gewechselt habe, in der ausschließlich LBG benutzt werde. Dies sei den Eltern aber bekannt gewesen, die ausdrücklich auch darauf Wert gelegt hätten, dass die Antragstellerin mehr Lautsprache lerne. Zwar könne die Antragstellerin auch dort den Unterweisungen gut folgen, zumal zusätzlich zur Lautsprache LBG eingesetzt werde. Man habe sich aber auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern auf einen Kompromiss von ca. zwei Stunden wöchentlich geeinigt.
In einem Schreiben vom 04.11.2010 bestätigten die Eltern der Antragstellerin diesen Sachverhalt. Wenn diese im nächsten Jahr zur Schule komme, werde sie auch LBG besser lernen und die Lautsprache auch. Aber im Moment brauche sie noch die Unterstützung eines Gebärdendolmetschers.
Bezüglich dieses Einsatzes übersandte das Förderzentrum unter dem 14.01.2011 einen Zwischenbericht. Danach habe sich der Dolmetschereinsatz aufgrund der guten Zusammenarbeit zwischen der Dolmetscherin und der heilpädagogischen Förderlehrerin tatsächlich als ein Gewinn für das Entwicklungsfortkommen der Antragstellerin herausgestellt.
Mit Schreiben vom 25.07.2011 beantragten die Eltern der Antragstellerin beim Antragsgegner die Kostenübernahme für einen Gebärdendolmetscher zur Beschulung im gemeinsamen Unterricht an der Regelschule. Die Antragstellerin solle ab dem 13.09.2011 die Regelschule in A-Stadt besuchen. Die Schulleitung sei mit der Aufnahme einverstanden. Ihre Tochter habe bereits Probestunden absolviert und sei auch nach Einschätzung der Lehrerin für die Regelschule geeignet. Am Förderzentrum dauere die Grundschulzeit fünf Jahre und es wer...