Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird einstweilen verpflichtet, ab dem Tag nach Zustellung dieses Beschlusses die Kosten für einen weiteren Zyklus der Immuntherapie bei Herrn T. mit Hypertermie, autologen Immunzellen und kostimulatorischen inaktivierten onkolytischen Viren zu übernehmen, befristet bis 15.02.2008, längstens bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens.

II. Die Antragsgegnerin trägt 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (Ast) und gleichzeitig Klägerin im Verfahren S 12 KR 355/07 begehrt eine Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag) und Beklagten zur Kostenübernahme der außervertraglichen Behandlung beim Allgemeinarzt A. T., Markt B., mit Hyperthermie, autologen Immunzellen und kostimulatorischen inaktivierten onkolytischen Viren.

Die am 1956 geborene Ast ist seit 1997 an einem Mammakarzinom erkrankt, das zunächst nur linksseitig auftrat. Im Jahr 2001 wurde ein Rezidiv auf der rechten Brustseite operiert. Der Brustkrebs ist metastasiert. Es erfolgten mehrfach Chemotherapien, wobei zuletzt im Jahr 2006 gravierende Nebenwirkungen in Form einer Hautablösung an den Fußsohlen auftraten.

Am 11.07.2007 ging bei der Ag ein Antrag des Herrn T. auf Kostenerstattung einer Immuntherapie des metastasierten Mammakarzinoms mit Hyperthermie, autologen Immunzellen und kostimulatorischen inaktivierten onkolytischen Viren ein. Nach dem Verlauf der Erkrankung gäbe es schulmedizinisch keine kurative Therapiestrategie mehr. Es sei auch nicht erwiesen, ob es auch nur eine palliative gebe. Daher greife die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005, deren Voraussetzungen in allen Fassetten mehr als erfüllt seien. Zur aktiven Hyperthermie (Fiebertherapie) lägen vergleichende Untersuchungen und eine Pilotstudie vor, wobei Patienten mit weit fortgeschrittener Metastasierung eine komplette Rückbildung allein mit dieser Therapiefassette erfahren hätten. Die lokale Tiefenthermotherapie sei in Wissenschaft und Praxis längst anerkannt und werde von der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr als vierte Säule neben Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie anerkannt. Die Fiebertherapie diene der Immunstimulierung und werde am Fiebergipfel mit der regionalen Tiefenthermotherapie kombiniert. Bezüglich der Therapie mit onkolytischen Viren liege eine multizentrische, placebokontrollierte Studie bei weit fortgeschrittenen Krebserkrankungen mit eindrucksvollem Ausgang vor. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg habe nicht weniger als acht Abteilungen auf die Erforschung dieses Therapieverfahrens angesetzt. Die Kombination von Fieber- und Virustherapie biete sich aus immunulogischen Gründen an. Auch zur grundsätzlichen Wirksamkeit der dendritischen Zelltherapie gebe es eine ganze Reihe von Studien, auch zum Mammakarzinom. Vor kurzem hätten dendritische Zell-Vaccine auch die Zulassung der FDA erhalten. Es gebe kaum eine deutsche Universität, die nicht ernsthaft an diesem Therapieansatz arbeite. Er legte ebenfalls einen ungefähren Kostenvoranschlag für die einzelnen Bestandteile der Therapie vor. Auf Nachfrage der Beklagten gingen dann weitere Unterlagen ein, u. a. ein "Informationsblatt" des Herrn T. zur "Biotherapie fortgeschrittener Krebserkrankungen mit Fieber, Viren und autologen Abwehrzellen (dendritischen Zellen und natürlichen Killerzellen)". Außerdem ging ein Befundbericht des behandelnden Gynäkologen Dr. S. vom 28.07.2007 mit zahlreichen Anlagen ein. Daraus ergibt sich die Diagnose von Lungenmetastasen, Skelettmetastasen (in der Vergangenheit mit Bestrahlung behandelt) und Lebermetastasen. Dr. S. hielt eine erneute Chemotherapie zwar für möglich, vom Nebenwirkungsspektrum her jedoch für problematisch. Er befürwortete daher den zur Zeit angedachten Versuch einer intrahepatischen experimentellen Tumortherapie. Die Ag schaltete zur Beurteilung den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern ein. Nachdem dieser bereits in einer Stellungnahme vom 24.07.2007 ausgeführt hatte, dass bisher ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis für die von Herrn T. angewandten Methoden fehle, hielt der Gutachter Herr B. in einer Stellungnahme vom 17.08.2007 fest, dass das von Herrn T. angegebene Therapieziel einer Heilung nicht nachvollzogen werden könne. Es sei unter Beachtung der aktuellen medizinischen bzw. wissenschaftlichen Studienlage nicht davon auszugehen, dass die beantragten Methoden eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen könnten. Die Behandlung mit onkolytischen Viren befinde sich noch im Stadium der experimentellen Anwendung. Die derzeitige Studienlage erlaube es nicht, konkrete Aussagen zu einer positiven Nutzen-Risiko-Abwägung der beantragten Maßnahmen zu treffen. Eine Kostenübernahme könne durch den MDK daher nicht empfohlen werden. Auf Nachfrage der Ag wegen der Nebenwirkungen einer weiteren Chemotherapie führte Dr. E. in einer Stellu...

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