Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Pflegeversicherung: Feststellung eines Pflegegrades. Berücksichtigungsfähigkeit von Hausbesuchen eines Arztes bei der Ermittlung des Pflegeaufwands
Orientierungssatz
1. Bei der Bemessung des Pflegeaufwands zur Ermittlung des Pflegegrades sind Hausbesuche des Hausarztes nicht als Aufwand nach Modul 5 der Begutachtungsrichtlinie (Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen) berücksichtigungsfähig.
2. Einzelfall zur Zuerkennung des Pflegegrades 5 im Rahmen der Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung (hier: Zuerkennung des Pflegegrades 5 abgelehnt).
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 19. Oktober 2018 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2019
wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitgegenständlich ist der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung.
Die 1935 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert. Seit April 2014 bezieht sie Leistungen nach Pflegestufe II bzw. Pflegegrad 4 seit Januar 2017 nach Stellung eines Höherstufungsantrages vom 02.01.2017. Mit Bescheid vom 09.03.2017 und Widerspruchsbescheid vom 24.10.2017 wurde von Seiten der Beklagten eine Einstufung der Klägerin in Pflegegrad 5 aufgrund der Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 01.03.2017 und 29.05.2017 mit jeweils persönlicher Begutachtung abgelehnt. Im sich daran anschließenden Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 9 P 102/17 wurde ein Pflegesachverständigengutachten von Amts wegen durch die Pflegesachverständige Frau G. vom 21.04.2018 eingeholt. Die Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin im gesamten streitigen Zeitraum zu keinem Zeitpunkt eine Pflegebedürftigkeit entsprechend Pflegegrad 5 vorgelegen habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.06.2018 nahm der Sohn der Klägerin als deren Bevollmächtigter die Klage zurück und stellte einen Antrag auf Überprüfung des Sachverhalts nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Hintergrund des Überprüfungsantrags war die Tatsache, dass er viele Tätigkeiten für die Klägerin übernehme, die im Gutachten noch keine Berücksichtigung gefunden hätten, da der Arzt diese bislang nicht explizit verordne. So würden jeden Tag krankengymnastische Übungen mehrfach täglich durchgeführt werden, tägliche Einreibungen stattfinden, Blutdruck und Blutzucker gemessen und eine spezielle Diät aufgrund der Diabetes der Klägerin zubereitet werden. Der Bevollmächtigte der Klägerin werde sich zukünftig diese Maßnahmen vom Arzt verschreiben bzw. bescheinigen lassen. Um den vorgetragenen Sachverhalt auch für die Vergangenheit zu berücksichtigen, stellte der Bevollmächtigte der Klägerin den Überprüfungsantrag.
Mit Fax vom 11.07.2018 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. J. vom 26.06.2018, in dem dieser bescheinigt, dass bei der Klägerin zweimal täglich 30 Minuten Übungen aus dem physiotherapeutischen Formenkreis durchgeführt werden, dreimal täglich der Blutzucker gemessen wird, einmal täglich der Blutdruck und die Ernährung diabetesgerecht umgestellt worden sei. Es erfolgen zwei Hausbesuche im Monat durch den Hausarzt. Die Beklagte beauftragte daraufhin den MDK, der im Gutachten vom 19.09.2018 zu keiner anderen Einschätzung des Pflegegrades der Klägerin kam.
Mit Bescheid vom 19.10.2018 lehnte daraufhin die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Hiergegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 24.10.2018 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass er 24 Stunden täglich seine Mutter pflege, dreimal täglich den Blutdruck messe, zwei- bis dreimal täglich Blutzucker messe, mit ihr eine körperliche Therapie durchführe und sie völlig auf seine Hilfe angewiesen sei. Mit Schreiben vom 15.11.2018 regte die Beklagte die Stellung eines Höherstufungsantrages an. Aufgrund des Gutachtens des MDK vom 17.12.2018 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2018 Pflegeleistungen nach Pflegegrad 5 ab dem 01.10.2018.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2019 lehnte die Beklagte den Widerspruch als unbegründet ab, da sich aus dem Vorbringen der Klägerin bzw. den sonstigen Umständen keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide entsprechend § 44 SGB X ergeben würden. Die im Sozialgerichtsverfahren beauftragte Sachverständige habe in ihrem Gutachten vom 21.04.2018 ausgeführt, dass sich an der Selbstständigkeit und den Fähigkeiten der Klägerin seit der Antragstellung vom 02.01.2017 nichts geändert habe.
Mit Schriftsatz vom 29.07.2019, bei Gericht eingegangen am 05.08.2019, erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg mit der Begründung, dass er sich auf die mündliche Verhandlung vom 15.06.2018 berufe, da seine Mutter nichts mehr alleine machen könne und er sie seit Jahren 24 Stunden am Tag pflege.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ä...