Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen unabweisbarem laufenden besonderen Bedarf. Wahrnehmung des Umgangsrechts. Höhe der Fahrkostenerstattung. kein Abzug eines möglichen Ansparbetrages aus der Regelleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Höhe der Fahrtkostenerstattung für Mehrbedarf wegen Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern orientiert sich an der grundsicherungsrechtlichen Behandlung von Fahrtkosten bei der Erzielung von Einkommen nach der ALG-II-VO (juris: AlgIIV 2008).
2. Bei der Bestimmung des zu ersetzenden Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB 2 ist bei zu berücksichtigenden Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts keine pauschale Absetzung von Einsparmöglichkeiten in Höhe von 10 % der jeweiligen Regelleistung vorzunehmen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, in Abänderung des Bescheides vom 10. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2011 zur Erstattung der streitgegenständlichen Fahrtkosten weitere 179,50 € an den Kläger zu erstatten.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Höhe des zu erstattenden Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) für die im Zeitraum vom 01.06.2010 bis 14.10.2010 angefallenen Fahrtkosten des Klägers zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seiner Tochter.
Der am 1954 geborene Kläger steht bei der Beklagten seit 2008 im laufenden Leistungsbezug.
Mit Schreiben vom 20.10.2010, eingegangen beim Beklagten am 09.11.2010, beantragte der Kläger bei der Beklagten die Berücksichtigung der leistungsrechtlichen Auswirkungen des Zuzuges seiner am 1999 geborenen Tochter L.-J. zum 15.10.2010.
Geltend gemacht wurden dabei unter anderem auch Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts für die Zeit vor Zuzug der Tochter. So habe der Kläger im Zeitraum vom 01.06.2010 bis 14.10.2010 zur Wahrnehmung des Umgangsrechts insgesamt Wegestrecken von 3.151 km zurückgelegt.
Mit Bescheid vom 10.03.2011 erstattete die Beklagte neben nicht streitgegenständlichen Verpflegungskosten für die Zeit vom 01.06.2010 bis 14.10.2010 Fahrtkosten in Höhe von 135,60 €.
Dabei legte sie gemäß § 6 Abs. 1 ALG-II-VO eine Vergütung von 0,20 € pro Entfernungskilometer, entsprechend 315,10 € zu Grunde. Hiervon brachte sie eine Ersparnismöglichkeit von 10 % aus der Regelleistung des Klägers von monatlich 359 € anteilig für fünf Monate, insgesamt also 179,50 €, in Abzug.
Hiergegen erhob die Klägerbevollmächtigte Widerspruch. Die zur Wahrnehmung des Umgangsrechts zurückgelegte Wegstrecke von 3.151 km sei unstreitig; angegriffen werde die Höhe der Fahrtkostenerstattung. Ein Abzug für Einsparpotenzial aus der Regelleistung sei nicht vorzunehmen. Jeder gefahrene Kilometer sei mit 0,20 € zu bemessen, um dem Umgangsrecht des Klägers hinreichend Rechnung zu tragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2011 wies die Beklagte eine begehrte höhere Entschädigung der Fahrtkosten zurück. Nach den fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit (BA) seien regelmäßig Einsparmöglichkeiten am Regelsatz bis zu 10 % zu berücksichtigen. Der Maßstab für die Entschädigung von Fahrtkostenaufwendungen sei für Hilfeempfänger nach dem SGB II grundsätzlich nach der ALG-II-VO vorgegeben. Hieraus ergebe sich eine Entschädigung von entweder 0,10 € pro gefahrenem Kilometer oder aber 0,20 € pro Entfernungskilometer.
Hiergegen erhob die Klägerbevollmächtigte Klage zum hiesigen Gericht. Dem Kläger sei jeder Fahrkilometer mit 0,30 € ohne Abzug als Fahrtkosten zu erstatten. Insoweit liege ein entsprechender Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II vor. Die Anwendung der Maßstäbe nach der ALG-II-VO führe zu unbilligen Ergebnissen. Beispielsweise betrage die Erstattung nach zivilrechtlichem Schadensersatzrecht 0,30 € pro gefahrenen Kilometer, um auch die sonstigen Kosten des PKW zu decken. Diese entsprächen dem im Fall des Klägers zu berücksichtigenden unabweisbaren Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II. Dem Kläger sei es auch nicht zuzumuten, hiervon einen Teilbetrag in Höhe von 10 % der Regelleistung abzudecken.
Die Beklagte berief sich in ihrer Klageerwiderung vom 25.10.2011 hinsichtlich der Fahrtkostenerstattung auf die Wertung des Gesetzgebers in der der ALG-II-VO.
Die Bevollmächtigte des Klägers beantragte zuletzt sinngemäß,
die Beklagte zur Erstattung der streitgegenständigen Fahrtkosten für die Wegstrecke von 3.151 km mit 0,30 € pro gefahrenen Kilometer ohne Abzug etwaiger Einsparungen vom Regelsatz zu verurteilen.
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragte
die Abweisung der Klage.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Entschädigu...