Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Ausschluss einer ausländischen Konsularangestellten vom elterngeldberechtigten Personenkreis
Orientierungssatz
1. Konsulatsbedienstete und deren Angehörige (hier: Angestellte bei einem türkischen Konsulat in Deutschland mit türkischer Staatsangehörigkeit und Niederlassungserlaubnis) sind nach Art 48 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (juris: KonsÜbk Wien) grundsätzlich von der Anwendung sämtlicher sozialrechtlicher Vorschriften des Empfangsstaates und damit auch derjenigen des BEEG ausgeschlossen (für das BErzGG vgl BSG vom 29.1.2002 - B 10/14 EG 1/00 R = BSGE 89, 124 = SozR 3-7833 § 1 Nr 25).
2. Für die Annahme des Ausnahmefalls nach Art 48 Abs 4 KonsÜbk Wien "freiwillige Beteiligung am System der sozialen Sicherheit des Empfangsstaates" bedarf es einer nach deutschen Rechtsvorschriften zulässigen freiwilligen Zugehörigkeit der Klägerin oder ihres Ehemannes zu einem deutschen Sozialleistungssystem, dh zumindest zu einem Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung.
3. Abweichendes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus den Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit (juris: SozSichAbk TUR) sowie des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (juris: EWGAbk TUR) iVm dem Beschluss Nr 3/80 des Assoziationsrates (juris: EWGAssRBes 3/80). Zudem kommt hier die Anwendung von Art 16 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 (juris: EWGV 1408/71) nicht in Betracht.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 8. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) hat.
Auf Antrag der Klägerin, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2016 ab, ihr Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres am 2015 geborenen Kindes A. zu gewähren. Mitglieder und Beschäftigte diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen seien nach Art. 33 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1 und 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen bzw. Art. 48 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit und damit auch von der Anwendung des BEEG ausgeschlossen. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des BEEG gelte nicht, wenn eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt werde, die der Versicherungspflicht nach dem Sozialgesetzbuch - Drittes Buch (Arbeitsförderungsgesetz - SGB III) unterliege. Nach europäischem Recht hätten Mitglieder des Geschäftspersonals der diplomatischen Vertretungen und konsularischen Dienststellen eines EWR-Staates als Staatsangehörige des Entsendestaates ggf. ein Wahlrecht, ob sie dem System der sozialen Sicherheit im Beschäftigungsland oder in Deutschland unterliegen wollen. Die Klägerin habe dieses Wahlrecht nicht genutzt, so dass sie weiterhin dem System der sozialen Sicherheit im Beschäftigungsland unterliege und kein Anspruch auf Elterngeld bestehe.
Den nachfolgenden Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2016 als unbegründet zurück. Für Mitglieder und Beschäftigte diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen anderer Staaten in Deutschland gelte das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen bzw. das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen. Nach Art. 33 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1 und 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen bzw. Art. 48 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen seien sie von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit und damit auch von der Anwendung des BEEG ausgenommen. Dazu zählten auch Mitglieder des Verwaltungspersonals und des technischen Personals der Missionen und Vertretungen sowie die zum Haushalt eines Mitglieds des Verwaltungspersonals oder des technischen Personals gehörenden Familienmitglieder, wenn sie weder die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen noch in Deutschland ständig ansässig seien. Den vorliegenden Unterlagen und den Angaben der Klägerin sei zu entnehmen, dass sie in Deutschland geboren sei, seit ihrer Geburt in Deutschland lebe und seit dem 01.04.2011 für das türkische Konsulat in arbeite. Ihr Sohn habe die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie selbst besitze jedoch nicht die deutsche, sondern die türkische Staatsangehörigkeit. Da mit dem Wohnsitz nur eine der beiden erforderlichen Voraussetzungen (Wohnsitz, deutsche Staatsangehörigkeit) vorliege, sei die Klägerin als Beschäftigte des türkischen Generalkonsulats von der Anwendbarkeit des BEEG ausgeschlossen. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des BEEG gelte nicht, wenn die Personen eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübten, die der Versicherungspflicht nach dem SGB III u...