Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Anpassung der Bedarfssätze für Leistungen nach dem AsylbLG

 

Orientierungssatz

1. Der Leistungssatz nach § 3 Abs. 4 S. 1 AsylbLG i. V. m. § 28a SGB 12 ist jährlich anhand der jeweils gültigen Verordnung nach § 40 S. 1 Nr. 1 SGB 12 zu erhöhen. Dies ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales spätestens bis zum 1. 11. eines jeden Kalenderjahres im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

2. Solange der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Ermittlung neuer Bedarfssätze nicht nachkommt, verbleibt es bei der Regelung des § 3 Abs. 4 AsylbLG. Dadurch wird eine verfassungswidrige Unterdeckung vermieden.

3. Die Anwendung der gesetzlichen Fortschreibungsregelung ist solange nicht versperrt, als der Gesetzgeber seiner Aufgabe nach § 3 Abs. 5 AsylbLG nicht nachkommt.

4. Dementsprechend sind die Bedarfssätze für Leistungen nach dem AsylbLG zu erhöhen.

 

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 06.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2019 und unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 16.11.2017 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 10.08.2018 um € 10,00 monatlich höhere Leistungen gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der 1993 geborene Kläger ist sierra-leonischer Staatsangehöriger und stellte am 22.05.2017 (Einreise am 11.05.2017) einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten zugewiesen und bezieht seit 16.11.2017 Leistungen nach dem AsylbLG von diesem. Mit Bescheid vom 29.11.2017 bezog der Kläger Leistungen nach § 3 AsylbLG bis 10.08.2018, aufgrund der teilweisen Gewährung von Sachleistung in Höhe von € 320,14. Gemäß Bescheid vom 05.12.2018 gewährte der Beklagte ab dem 11.08.2018 Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Mit Schreiben vom 27.06.2019 beantragte der Kläger alle bestandskräftigen Bescheide ab Januar 2018 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu prüfen und die Leistungen neu zu berechnen, da diese seit 2016 entgegen der Regelung des § 3 Abs. 5 AsylbLG a.F. nicht in der Höhe angepasst worden seien.

Der Beklagte lehnte die Gewährung höherer Leistungen mit Bescheid vom 06.08.2019 ab, da die Regelsatzerhöhung weder vom Gesetzgeber, noch vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veranlasst sei.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und berief sich auf ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts (SG) Stade zu diesem Thema. Es bedürfe für die Fortschreibung der Leistungshöhe keines Umsetzungsaktes.

Der Beklagte legte den Widerspruch der Regierung von Schwaben zur Entscheidung vor. Diese wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2019 als unbegründet zurück. Sie verwies wiederholend darauf, dass es an einer Fortschreibung der Beträge seit 2016 fehle und diese, anders als das SG Stade darlege, ohne Umsetzung der EVS 2013 durch Änderung des AsylbLG nicht möglich sei. Auch eine hilfsweise Gewährung höherer Leistungen nach § 6 AsylbLG komme nicht in Betracht.

Am 16.12.2019 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Er begehrt höhere Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 10.08.2018. Es fehle bis heute an einer Umsetzung der Anpassung der Leistungshöhen. Die Höhe ergebe sich dabei direkt aus dem Gesetz. Es stehe ihm daher ein höherer Leistungsanspruch zu. Die Erhöhung für 2017 habe nach der Fortschreibungsverordnung 2016 zu erfolgen, da es für 2017 keine eigene Verordnung gegeben habe. Die Erhöhung sei hier 1,24%, weshalb die Leistungen in 2017 bei € 358,00 hätten liegen müssen. Für das Jahr 2018 sei die Erhöhung 1,63%, sodass € 364,00 hätten gewährt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2019 zu verpflichten, ihm Leistungen gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG an die Teuerung angepasste Leistungen gem. § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 10.08.2018 in Höhe von mindestens € 10,00 monatlich zu gewähren,

hilfsweise,

den Betrag zu bewilligen, den das Gericht bei einer unterstellten Fortschreibung der entsprechenden Veränderungsraten nach § 28a SGB XII iVm den Verordnungen nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylbLG für angemessen erachten würde.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dieser legt seine Akte vor und verweist auf deren Inhalt. Er verweist nochmals darauf, dass vor der aktuellen Gesetzesänderung zum 01.09.2019 keine Erhöhung der Beträge möglich sei. Der Rechtsauffassung des SG Stade könne nicht gefolgt werden. Es bedürfe eines Umsetzungsaktes, welcher bislang gefehlt habe.

Beide Beteiligten haben in der Folge schriftlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergän...

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