Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Geschäftsgebühr. doppelte Mindestgebühr. isoliertes Vorverfahren gegen die Festsetzung einer Mahngebühr. Vorbefassung des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren gegen den den Mahnbetrag festsetzenden Bescheid. Einzelfallentscheidung. Ermessensentscheidung. Selbstbindung der Verwaltung
Leitsatz (amtlich)
Für ein Widerspruchsverfahren gegen eine von der BA festgesetzten Mahngebühr von 10,00 Euro (Mahnbetrag: 1.851,92 Euro) ist bei einem Gebührenrahmen von 50,00 bis 640,00 Euro eine Geschäftsgebühr von 100,00 Euro (doppelte Mindestgebühr) als Vergütung des - mit dem Widerspruch - gegen den den Mahnbetrag festsetzenden Bescheid des zuständigen Jobcenters vorbefassten Rechtsanwalts angemessen.
Orientierungssatz
Bei der Festsetzung der angemessenen Gebühr iS des § 14 Abs 1 RVG handelt es sich stets um eine Einzelfallentscheidung (vgl LSG München vom 24.7.2014 - L 8 AS 267/14 NZB). Eine Selbstbindung der Verwaltung und damit eine Ermessenreduzierung auf Null würde voraussetzen, dass es zur Ausübung des Ermessens bei der Festsetzung der Geschäftsgebühr ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften der Beklagten gab oder gibt, die von dieser im maßgeblichen Zeitpunkt so gehandhabt wurden, dass die beantragte Festsetzung einer ständigen Praxis der Beklagten entsprochen hat (vergleichbar einer ständigen Rechtsprechung).
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der von der beklagten Bundesagentur für Arbeit zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren für ein isoliertes Vorverfahren wegen einer Mahngebühr.
Das zuständige Jobcenter hatte mit Bescheid vom 22.07.2016 gegen die im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stehende Klägerin Erstattungsforderungen in Höhe von insgesamt 1.851,92 Euro erhoben. Vertreten durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten hatte die Klägerin hiergegen Widerspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 26.09.2016 forderte die Beklagte die Klägerin unter Verhängung einer Mahngebühr von 10,00 Euro auf, innerhalb von zwei Wochen den Gesamtbetrag von 1.861,92 Euro zu zahlen, der aus dem Bescheid des zuständigen Jobcenters vom 22.07.2016 resultiere und seit dem 26.08.2016 fällig sei. Bleibe die Zahlung aus, werde die mit weiteren Kosten verbundene zwangsweise Einziehung veranlasst.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin für diese am 09.10.2016 Widerspruch und machte geltend, die Festsetzung der Mahngebühr sei nicht gerechtfertigt, da der Bescheid des Jobcenters vom 22.07.2016 nicht bestandskräftig sei.
Dem folgend hob die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 18.10.2016 die Festsetzung der Mahngebühr auf, erkannte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig an und erklärte sich bereit, die der Klägerin im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten zu übernehmen, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen würden.
Im nachfolgenden Erstattungsverfahren machte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Kostennote vom 21.10.2016 unter Einbeziehung unter anderem einer Geschäftsgebühr nach § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. Nr. 2302 Vergütungsverzeichnis (VV) zum RVG in Höhe von 180,00 Euro Kosten von 238,00 Euro geltend.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 09.11.2016 erkannte die Beklagte unter Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr von 150,00 Euro einen Betrag von 202,30 Euro als notwendige Aufwendungen an. Die Erhebung einer Geschäftsgebühr von 180,00 Euro sei unbillig und daher für sie nicht verbindlich. Bei einer Mahngebühr von 10,00 Euro seien die rechtliche Schwierigkeit, der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Angelegenheit weit unterdurchschnittlich.
Am 09.12.2016 erhob die Klägerin Widerspruch. Ihr Bevollmächtigter führte zur Begründung aus, die Reduzierung der Geschäftsgebühr von 180,00 Euro auf 150,00 Euro durch die Beklagte sei nicht zulässig. Weder der Leistungsträger noch die Gerichte dürfen das Ermessen des Rechtsanwalts durch eigenes Ermessen ersetzen, wenn die Höhe der vom Rechtsanwalt festgesetzten Gebühren die vom Leistungsträger bzw. Gericht für angemessen gehaltene Gebühr die 20 %-Grenze nicht überschreite.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2016 als unbegründet zurück. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin seien bei der anwaltlichen Gebührenbestimmung im vorliegenden Fall die Grundsätze des Toleranzrahmens nicht anzuwenden. Ließe man in einem durchschnittlichen Mahngebührenwiderspruchsverfahren die Anwendung eines Toleranzrahmens grundsätzlich zu, käme man ebenso regelmäßig zu einem jeweils erhöhten Durchschnittsbetrag, womit der vom Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 09.03.2016, Az.: B 14 A...