Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersrente nach Altersteilzeitarbeit. Rentenberechnung. Zugrundelegung des tatsächlichen Arbeitsentgelts. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Bei der Gewährung von Altersrente sind der Rentenberechnung die tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten zugrunde zu legen, auch wenn im Vorfeld eine fiktive Hochrechnung des Entgelts für den Zeitraum zwischen Antragstellung und Rentenbeginn erfolgt ist. Mit dem Regelungskomplex der §§ 194, 70 Abs 4 SGB 6 sollte die Rechtsposition der Versicherten iS eines beschleunigten Verwaltungsverfahrens sowie der Sicherstellung eines nahtlosen wirtschaftlichen Übergangs vom Erwerbs- in das Rentnerleben gestärkt werden. Eine Verkürzung der Versichertenrechte war erkennbar nicht beabsichtigt und würde gegen den verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz verstoßen (vgl BSG vom 16.11.1995 - 4 RA 48/93 = BSGE 77, 77 = SozR 3-2200 § 1401 Nr 1 und LSG München vom 13.8.2008 - L 13 R 58/08 = NZS 2009, 630).
Tatbestand
Streitig ein ist ein Anspruch auf einen höheren Zahlbetrag der Altersrente unter Zugrundelegung des tatsächlichen Arbeitsentgelts von 12.484 EUR für das zweite Quartal 2008.
Der 1948 geborene Kläger hatte mit seinem Arbeitgeber am 22.04.2003 eine Altersteilzeit - Vereinbarung im Block-Modell mit Freistellungsphase 01.01.2006 bis 30. 6. 2008 geschlossen. Am 11.04.2008 stellte er seinen Antrag auf Altersrente nach Altersteilzeitarbeit mit Rentenbeginn am 01.07.2008. Unterschriftlich willigte er in die auf dem Formular vorgedruckte Erklärung ein, dass der Rentenversicherungsträger zur Beschleunigung des Rentenverfahrens für einen Zeitraum von maximal drei Monaten vor Rentenbeginn die entsprechenden voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen hochrechnet und diese der Rentenberechnung zu Grunde legt. Zur Akte gelangte außerdem eine Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers über die beitragspflichtigen Einnahmen vom 01.01. bis 31.03.2008 sowie eine Entgeltvorausbescheinigung vom 07.04.2008 für die Zeit von April bis Juni 2008. Die Beklagte stellte daraufhin auf der Grundlage eines Einkommens von 42.013,25 EUR für den Zwölfmonatszeitraum 01.04.2007 bis 31.03.2008 ein hochgerechnetes Entgelt für die Zeit vom 01.04.2008 bis 30.06.2008 von 10.503 EUR fest. Ausgehend davon bestimmte sie schließlich die Altersrente des Klägers ab 01.07.2008 und stellte sie mit Bescheid vom 13.05.2008 fest. Der Kläger widersprach der fiktiven Hochrechnung des Beitragsentgelts für die Zeit vom 01.04.2008 bis 30.06.2008; der Arbeitgeber habe am 07.04.2008 abweichend davon das auch tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt von 12.484 EUR bescheinigt. Dieses sei zugrunde zu legen. Mit Bescheid vom 10.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. An Stelle einer Vorausbescheinigung sei seit 01.01.2008 die so genannte "gesonderte Meldung" und Hochrechnung von Entgelten gemäß § 194 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) getreten. Nach § 70 Abs. 4 SGB VI seien diese Beträge in jedem Fall maßgeblich.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Es sei nicht darauf hingewiesen worden, dass eine vorzeitige Rentenantragstellung unter Umständen zu Nachteilen bei der Berechnung der Rente führen könne. Dies sei aus den Antragsunterlagen nicht zu erkennen gewesen, ein Hinweis auf § 70 SGB VI war nicht enthalten.
Der Kläger beantragt, die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2008 zu verpflichten ihm ab 01.07.2008 Altersrente unter Berücksichtigung des tatsächlich im Zeitraum vom 01.04.2008 bis 30.06.2008 erzielten Arbeitsentgelts von 12.484 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Da der Rente auf Antrag des Klägers die hochgerechneten beitragspflichtigen Einnahmen zugrunde gelegt worden seien, verbleibe es gemäß § 70 Abs. 4 SGB VI zwingend bei dieser Berechnung und zwar unabhängig davon, ob die tatsächlich beitragspflichtigen Einnahmen höher oder niedriger seien als die hochgerechneten. Bei dieser Rechtsauffassung blieb sie auch nach Kenntnis des vom Gericht zur Verfügung gestellten Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts (Urteil vom 13.08.2008, L13 R 58/08). Mit diesem Urteil war die Beklagte in einem anderen Fall verpflichtet worden, der Rentenberechnung das von einer Entgeltvorausbescheinigung abweichende tatsächliche Entgelt (nachträglich) zugrunde zu legen. Das Gericht hatte sich dabei auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.11.1995 (4 RA 48/93) gestützt und ergänzend ausgeführt, dass § 70 Abs. 4 SGB VI verfassungskonform auszulegen sei mit der Konsequenz, dass eine Rentengewährung in der Höhe zu erfolgen habe, wie sie sich aus den Beiträgen gemäß dem tatsächlichen Arbeitsentgelts ergeben. Die Beklagte hat hierauf mitgeteilt, dass dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.11.1995 über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werde.
Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Sie waren ebenso wie...