Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf einen höheren Zahlbetrag der Rente unter Zugrundelegung des nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts
Orientierungssatz
1. Die dem Versicherten gewährte Rente ist nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB 10 anzupassen, wenn der ursprüngliche Rentenbescheid richtig gewesen ist, aber erst nach Bescheiderlass weiteres Arbeitsentgelt tatsächlich zugeflossen bzw. ein Anspruch insoweit entstanden ist. Der entsprechende Zufluss hat nach §§ 63 ff. SGB 6 Auswirkungen auf die Rentenhöhe.
2. Dem Anspruch auf Zugrundelegung des tatsächlich erzielten Entgelts steht § 70 Abs. 4 S. 2 SGB 6 nicht rechtsvernichtend entgegen.
3. Die verfassungskonforme Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass entgegen dem Wortlaut des § 70 Abs. 4 S. 2 SGB 6 auf das tatsächlich erzielte Entgelt abzustellen ist. Aus Art. 14 GG folgend steht dem Versicherten der Rentenbetrag errechnet auf der Grundlage seiner nachweislich tatsächlichen Arbeitsentgelte zu.
Tenor
1. Die Beklagte wird in Abänderung ihres Bescheides vom 09.07.2008 und unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2009 verpflichtet, dem Kläger ab 01.10.2008 Altersrente unter Berücksichtigung des tatsächlich im Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008 erzielten Arbeitsentgelts von 15.013,00 EUR zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Anspruch auf einen höheren Zahlbetrag der Altersrente unter Zugrundelegung des tatsächlich im Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008 erzielten Arbeitsentgelts in Höhe von (i.H.v.) 15.013,00 EUR besteht.
Der 1943 geborene Kläger hatte mit seinem Arbeitgeber am 30.06.2003 eine Altersteilzeitregelung vereinbart, wonach die Freistellungsphase ab dem 01.04.2006 begann und das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Freistellungsphase zum 30.09.2008 endete. Am 19.05.2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Regelaltersrente. Als voraussichtlicher Rentenbeginn wurde der 01.10.2008 benannt. Der Kläger unterschrieb mit Antragstellung folgende, von der Beklagten vorformulierte Erklärung (zukünftig "Einwilligungserklärung" genannt):
"Ich willige ein, dass der Rentenversicherungsträger zur Beschleunigung des Rentenverfahrens - frühestens drei Monate vor Rentenbeginn eine Meldung der beitragspflichtigen Einnahmen für abgelaufene Zeiträume von der zuständigen Stelle (z. B. Arbeitgeber [ ...]) anfordert, - für den weiteren Zeitraum ggf. bis zum Rentenbeginn die entsprechenden voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen (maximal für 3 Monate) hochrechnet und - diese der Rentenberechnung zugrunde legt. Sollten die tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen von den hochgerechneten Beträgen abweichen, können diese erst bei einer später zu zahlenden Rente berücksichtigt werden."
Die Beklagte nahm auf Grundlage der vorliegenden Verdienstunterlagen eine Hochrechnung für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008, mithin für die letzten drei Monate vor (beantragtem) Rentenbeginn, vor. In der Folge ging die Beklagte zunächst von beitragspflichtigen Einnahmen im Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008 i.H.v. 10.895,00 EUR, später i.H.v. 10.865,00 EUR aus. Die Berechnungen der Beklagten ergaben auch auf Grundlage dieser Hochrechnung, dass dem Kläger ab 01.10.2008 eine monatliche Rente i.H.v. 1.366,22 EUR zuzusprechen sei. In vorgenannter Höhe wurde dem Kläger mit Bescheid vom 09.07.2008 eine Altersrente ab 01.10.2008 bewilligt. Am 08.10.2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Neuberechnung der Altersrente. Statt der hochgerechneten Entgelthöhe von 10.865,00 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008 sei in diesem Zeitraum ein tatsächliches Entgelt i.H.v. 15.013,00 EUR gezahlt worden. Beigelegt war dem Antrag des Klägers auf Neuberechnung der Altersrente eine Meldebescheinigung zur Sozialversicherung des Arbeitgebers, welche am 22.09.2008 übermittelt worden war und einen Entgeltbetrag i.H.v. 15.013,00 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008 ausweist. Die Beklagte wies den Antrag des Klägers auf Neuberechnung der Altersrente mit Bescheid vom 29.10.2008 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger sich mit seinem Antrag vom 19.05.2008 für eine frühzeitige Rentenbewilligung entschieden und der dreimonatigen Hochrechnung auf Grundlage der letzten zwölf Kalendermonate zugestimmt habe. Zudem sei die Regelung des § 70 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu beachten, deren Satz 2 lautet:
"Weicht die tatsächlich erzielte beitragspflichtige Einnahme von der durch den Rentenversicherungsträger errechneten voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahme ab, bleibt sie für diese Rente außer Betracht."
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2009 zurück.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage, die er am 02.02.2009 erhoben hat. Zur Begründung nimmt der Kläger auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug und führt aus,...