Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. zusätzliche Leistung für die Schule bei Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte. Auslegung des Begriffs der allgemeinbildenden Schule. niedersächsisches Schulrecht. Erfüllung der Schulpflicht. Gleichbehandlung mit anderen Schülern
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung des niedersächsischen Gesetzgebers in § 162 S 1 Niedersächsisches Schulgesetz (juris: SchulG ND), den Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte für geistig behinderte Menschen zur Erfüllung ihrer Schulpflicht genügen zu lassen, zeigt, dass er Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen den übrigen Schülern gleichstellen wollte (vgl LSG Celle-Bremen vom 24.10.2002 - L 10 RJ 175/01 = NZS 2003, 324).
2. Der Begriff der allgemeinbildenden Schule aus § 24a S 1 SGB 2 wird jedoch nicht durch das niedersächsische Schulrecht definiert. Eine allgemeinbildende Schule iS des § 24a S 1 SGB 2 ist vielmehr jede Einrichtung, durch deren Besuch die Schulpflicht erfüllt werden kann. Es kommt nicht darauf an, ob an der Schule ein allgemeinbildender Schulabschluss erlangt werden kann.
3. Der Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte begründet ebenso wie der Besuch einer allgemein- oder berufsbildenden Schule Ausgaben für Lehrmittel und Schulzubehör. Der Schüler benötigt genauso wie andere Schüler eine Ausstattung am Schuljahresbeginn. Es gibt daher keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung iS des Art 3 Abs 1 GG.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 24.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2009 wird abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2.) 100 € zu erstatten und zwar als Schulbeihilfe gem. § 24a SGB II für den Monat August 2009.
Die Kosten des Rechtsstreits, insbesondere die außergerichtlichen Kosten der Kläger, sind vom Beklagten zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren vom Beklagten die Gewährung der Schulbeihilfe gem. § 24a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (im Folgenden: SGB II) für den Zeitraum vom 01. bis zum 31. August 2009.
Die 1999 geborene Klägerin zu 1. und der 1997 geborene Kläger zu 2. leben mit Ihren Eltern und gesetzlichen Vertretern M. und N. in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Klägerin zu 1. besucht die Förderschule O., P. Der Kläger zu 2. besucht die staatlich anerkannte Tagesbildungsstätte der Q., R., S. P.
Mit Bescheid vom 24. Juni 2009 bewilligte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für den Leistungszeitraum vom 01. Juli 2009 bis zum 31. Januar 2010. Die bewilligten Leistungen beliefen sich für die Zeiträume vom 01. bis zum 31 Juli. 2009 und vom 01. September 2009 bis zum 31. Januar 2010 auf monatlich 1.129 € und für den Zeitraum vom 01. bis zum 31. August 2009 auf 1.329 €. Im letzteren Zeitraum bewilligte der Beklagte den Klägern jeweils die Schulbeihilfe gem. § 24a Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe von 100 €.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2009 änderte der Beklagte den ursprünglichen Bescheid ab. Die bewilligten Leistungen beliefen sich für den Zeitraum vom 01. Juli 2009 bis zum 31. Januar 2010 nunmehr auf monatlich 1.129 €. In dem Zeitraum vom 01. bis zum 31. August 2009 war die Schulbeihilfe für die Kläger nicht mehr berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 legten die Kläger gegen den Bescheid vom 30. Juni 2009 Widerspruch ein und rügten die Nichtberücksichtigung der Schulbeihilfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger zu 2. besuche lediglich eine staatlich anerkannte Tagesbildungsstätte. Diese sei weder eine allgemeinbildende Schule im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Niedersächsisches Schulgesetz (im Folgenden: NSchG) noch eine berufsbildende Schule im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 2 NSchG. Es liege insbesondere keine Förderschule im Sinne des § 14 NSchG vor. Der Kläger zu 2. erfülle durch den Besuch der anerkannten Tagesbildungsstätte lediglich gem. § 162 NSchG seine Schulpflicht, könne dort jedoch keinen allgemeinbildenden Schulabschluss erlangen.
Mit Schreiben vom 15. August 2009 legten die Kläger gegen diesen Bescheid erneut “Widerspruch„ ein. Der Beklagte übersandte das Schreiben zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Aurich, bei dem das Schreiben am 11. September 2009 einging.
Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2009 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin zu 1. abgegeben. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011 angenommen.
Die Kläger sind der Ansicht, dass die Kläger zu 2. mit anderen schulpflichtigen Kindern gem. Art. 3 Grundgesetz (im Folgenden: GG) gleichzubehandeln sei. Der Kläger zu 2. erfülle durch den Besuch der Tagesbildungsstätte seine Schulpflicht. Dabei dienten auch die Tagesbildungsstätten der Erfüllung des Bildungsaustrags nach dem NSchG. Tagesbildungsstätten seinen mit Förderschulen aufgrund des identischen Bildungsauftrags und des ähnlichen Lehrplans vergleichbar.
Die Kläger beant...