Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Anwendbarkeit von § 44 Abs 1 SGB 10 auf Leistungen nach dem AsylbLG. Zuordnung der Leistungen des AsylbLG. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. § 44 Abs 1 SGB 10 ist im Bereich des AsylbLG anwendbar (vgl SG Aachen vom 19.6.2007 - S 20 AY 4/07 = SAR 2007, 105).
2. Es erscheint sachlich nicht gerechtfertigt iS des Art 3 Abs 1 GG, Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG im Verhältnis zu Berechtigten nach dem SGB 12 im Hinblick auf unanfechtbare Verwaltungsakte bei unrichtiger Anwendung des Rechts oder der Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhaltes schlechter zu stellen. Es spricht somit Überwiegendes dafür, die vom BVerwG unter Geltung des BSHG entwickelte Rechtsprechung hinsichtlich der Nichtanwendung des § 44 SGB 10 im Bereich des Sozialhilferechts unter Geltung des zum 1.1.2005 in Kraft getretenen SGB 12 aufzugeben.
3. Bei den Leistungen nach dem AsylbLG handelt es sich um Sozialleistungen iS des § 44 SGB 10. Bei den Leistungen nach dem AsylbLG handelt es sich materiell um Leistungen der Sozialhilfe iS des § 9 SGB 1 und damit um eine Sonderform der Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 28 Abs 1 Nr 1 SGB 1 (vgl SG Koblenz vom 21.8.2007 - S 13 AY 5/06).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Gewährung von Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.05.2005.
Der im April des Jahres 2000 in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste, in Polje (Kosovo) geborene Kläger ist Staatsangehöriger der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien und gehört der Volksgruppe der Roma an. Nach Ablehnung seines Asylantrages erhielt er ausländerrechtliche Duldungen, die regelmäßig verlängert wurden.
Dem Kläger, der seit dem 25.07.2000 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhält, bewilligte die für den Beklagten handelnde Gemeinde G. mit Bescheid vom 10.05.2005 auf “Antrag vom 30.12.2004„ rückwirkend “ab dem 01.01.2005„ Grundleistungen (sog. Taschengeld und Wertgutscheine) unter Berücksichtigung eines anteiligen Unterkunftsbedarfs in Höhe von insgesamt 245,28 €, wobei diesem Bescheid Berechnungsbögen für die Monate Januar und April bis Juni 2005 beigefügt waren. Für den Folgezeitraum Juli bis September 2005 wurden - soweit ersichtlich ohne weiteren Bescheid - diese Leistungen ebenfalls ausgezahlt.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 13.07.2005 erhob diese vorsorglich Widerspruch beginnend ab Juli 2005. Aufgrund der zum 01.01.2005 eingetretenen Änderung des § 2 AsylbLG stünden dem Kläger die höheren Leistungen nach dieser Vorschrift zu.
Mit Änderungsbescheiden vom 06.09.2005 und 07.12.2005 gewährte die Gemeinde G. dem Kläger “ab dem 01.10.2005„ bzw. “ab dem 01.07.2005„ nochmals Grundleistungen unter Berücksichtigung anteiliger Unterkunftskosten.
Mit Änderungsbescheid vom 21.02.2006 gewährte die Gemeinde G. dem Kläger dagegen “ab dem 01.07.2005„ Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von insgesamt 371,34 €.
Gegen diesen Änderungsbescheid erhob die Bevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 09.03.2006 Widerspruch. Die mit dem Bescheid gewährten Leistungen stünden dem Kläger bereits seit dem 01.01.2005 zu, weshalb um Nachberechnung und Nachzahlung der Leistungen für den Zeitraum Januar bis einschließlich Juni 2005 gebeten werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2006 half der Beklagte den Widersprüchen des Klägers vom 13.07. und 09.03.2006 insoweit ab, als ihm nunmehr rückwirkend ab 01.06.2005 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG unter Berücksichtigung eines Regelsatzes für sonstige Haushaltsanghörige ab Vollendung des 14. Lebensjahres gewährt wurden. Im Übrigen wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Für den Leistungszeitraum ab 01.01.2005 könnten keine höheren Leistungen gewährt werden, da gegen den Bewilligungsbescheid der Gemeinde G. vom 10.05.2005 kein Widerspruch eingelegt worden sei und deshalb die mit dieser Bescheid wegen Versäumung der einmonatigen Widerspruchsfrist bei Eingang des ersten Widerspruchs am 20.07.2005 bereits bestandskräftig geworden sei. Eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 44 SGB X scheide aus, da diese Vorschrift auf das Leistungsrecht des Asylbewerberleistungsgesetzes keine Anwendung finde, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Bereich der Sozialhilfe ergäbe. Diese Rechtsprechung gelte auch für die Auslegung des § 44 SGB X im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Der Kläger erhob am 22.07.2006 Klage mit dem Ziel, erhöhte Leistungen nach § 2 AsylbLG auch für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.05.2005 zu erhalten. Für diesen Zeitraum sei noch ein Betrag in Höhe von insgesamt 382,95 € zu zahlen. Wegen der zum 01.01.2005 wirksam gewordenen Änderung des § 2 Abs. 1 AsylbLG habe er ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf erhöhte Leistungen nach dieser Vorschrift, wobei Leistungen für e...