Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungen. Analogleistungen. Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 bei Unterbringung in einer Sammelunterkunft. Anwendbarkeit der Übergangsregelung des § 15 AsylbLG

 

Orientierungssatz

Der Anwendungsbereich des § 15 AsylbLG ist nicht auf die Verlängerung der Wartefrist von 15 Monaten auf 18 Monate beschränkt.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein besonderes Verwaltungsverfahren zur Nachholung einer unterlassenen Anhörung (vgl BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R = SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 14) ist auch im Asylbewerberleistungsrecht statthaft.

2. Der Wortlaut des § 15 AsylbLG ist eindeutig und gibt vor, dass Leistungsberechtigte, die bis zum 21.8.2019 bereits Analogleistungen erhalten haben, diese in der ursprünglichen Fassung des § 2 AsylbLG weiter beziehen. Selbst wenn man von einem auslegungsfähigen Wortlaut des § 15 AsylbLG ausgehen würde, kann aus den historischen Materialien kein begrenzter Anwendungsbereich abgeleitet werden. In der Massenverwaltung des Asylbewerberleistungsrechts spricht vieles dafür, dass der Gesetzgeber den Leistungsbehörden einen zusätzlichen Bescheiderlass ersparen wollte, da er die Änderung des § 2 AsylbLG ohne nennenswerte Inkrafttretensverzögerung ("3 Tage nach der Verkündung") erlassen hat.

 

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 13. Januar 2020 gegen den Bescheid vom 28. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der C. vom 9. Dezember 2019 in der Fassung des Bescheids vom 20. Januar 2020 wird angeordnet.

II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich - im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes - gegen die sofortige Wirksamkeit einer Leistungsabsenkung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der 1980 geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und reiste ohne seine Ehegattin am 08.05.2017 in das Bundesgebiet ein.

Der Antragsteller wurde zum 12.06.2018 dem Antragsgegner mit Aufenthalt in der Gemeinschaftsunterkunft (Asyl) W.-Straße, N., zugewiesen.

Mit Bescheid vom 08.02.2019 („Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG innerhalb von Einrichtungen“) wurden Leistungen ab 01.01.2019 in Höhe von 364,65 € bis auf weiteres bewilligt.

Das AsylbLG wurde durch Art. 5 des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung vom 15.08.2019 (BGBl I S. 1294) mit Wirkung zum 21.08.2019 geändert.

§ 2 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG lautet nunmehr:

§ 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass

1. bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;“

Zudem wurde dem Gesetz folgende Vorschrift angefügt:

„§ 15 Übergangsregelung zum Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht.

Für Leistungsberechtigte des Asylbewerberleistungsgesetzes, auf die bis zum 21. August 2019 gemäß § 2 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden war, ist § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541; 2019 I S. 162) geändert worden ist, weiter anzuwenden.“

Mit Bescheid vom 28.08.2019 wurden dem Antragsteller ab 01.09.2019 bis auf weiteres monatlich 322,65 € bewilligt. Der Bescheid stütze sich auf § 48 Abs. 1 SGB X. Das 3. Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes trete zum 01.09.2019 in Kraft. Damit liege eine wesentliche Änderung unter anderem in Bezug auf die Höhe der Asylbewerberleistungen vor.

Gegen den Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29.09.2019 Widerspruch ein.

Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid der C. vom 09.12.2019 zurückgewiesen. Die Geldbeträge des AsylbLG seien aufgrund einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe mittels wertender Entscheidung des Gesetzgebers festgesetzt worden. Es sei nicht Aufgabe einer einzelnen Leistungsbehörde, die Leistungssätze anzuheben. Beim Antragsteller handele es sich um einen Leistungsberechtigten, der einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen sei. § 15 AsylbLG regele nicht, dass Personen, die bislang Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII zugeordnet waren, nach der Gesetzesänderung dieser Regelbedarfsstufe zugeordnet bliebe.

Am 13.01.2020 erhob der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Bayreuth (Verfahren S 4 A 3/20), über die noch nicht entschieden wurde.

Mit Schreiben vom 16.01.2020, per Telefax übermittelt am gleichen Tag, erhebt der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum Sozialgeric...

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