Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebs- und Heizkostenguthaben. Minderung der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Vorauszahlungen in Zeiten außerhalb des Leistungsbezuges. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 22 Abs 3 SGB II idF vom 26.7.2016 ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch solche Rückzahlungen und Guthaben nicht als Einkommen angerechnet werden dürfen, die auf Vorauszahlungen des nunmehr Leistungsberechtigten zurückgehen, die er in Zeiten getätigt hat, in denen er nicht im Leistungsbezug stand.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.06.2020; Aktenzeichen B 4 AS 7/20 R)

 

Tenor

I. Der Änderungsbescheid vom 14.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018 wird hinsichtlich der Änderungen für November 2018 aufgehoben. Hinsichtlich der Änderungen für Oktober 2018 wird er dahingehend abgeändert, dass nur ein Heizkostenguthaben in Höhe von 22,25 € die Bedarfe für Unterkunft und Heizung mindernd angerechnet wird.

II. Der Änderungsbescheid vom 15.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018 wird dahingehend abgeändert, dass im Dezember 2018 nur ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 1,18 € die Bedarfe für Unterkunft und Heizung mindernd angerechnet wird.

III. Der Beklagte trägt von den notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers 19/20.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

V. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Anrechnung von Betriebskosten- und Heizkostenguthaben, die größtenteils auf Zeiten zurückgehen, in denen der Kläger nicht im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten stand.

Der Beklagte bewilligte dem 1969 geborenen Kläger auf seinen Antrag auf Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung vom 16.01.2018, eingegangen am 17.01.2018, mit Abhilfebescheid im Widerspruchsverfahren vom 24.04.2018 Leistungen für Dezember 2017 in Höhe von 213,47 € (nur Kosten für Unterkunft und Heizung). Er berücksichtigte hierbei die tatsächliche Grundmiete in Höhe von 223,90 €, die tatsächlichen kalten Betriebskosten in Höhe von 60,00 € und die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 109,00 €, insgesamt 392,90 €; nach Anrechnung des Einkommens des Klägers in Höhe von 588,43 € auf die Regelleistung verblieb ein auf die Kosten für Unterkunft und Heizung anzurechnender Einkommensbetrag in Höhe von 179,43 €.

Aus der bisher bewohnten Wohnung in der F.-Str. in M. zog der Kläger laut Meldeauskunft am 01.06.2018 in seine aktuelle Wohnung in der L.-Str. ebenda.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 15.07.2018 bewilligte der Beklagte ihm mit Bescheid vom 26.07.2018 Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 300,00 € für den Zeitraum vom 01.08.2018 bis 31.07.2019.

Am 31.08.2018 rechnete die ehemalige Vermieterin der Wohnung in der F.-Str. über die Heizkosten für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 ab. Hiernach stand dem Kläger bei geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 1.308,00 € (12 x 109,00 €) ein Guthaben in Höhe von 483,66 € zu, welches ihm laut Kontoauszug am 12.09.2018 zugeflossen ist. Der Beklagte erteilte daraufhin am 14.09.2018 einen Änderungsbescheid, nach dessen Verfügungssatz für die Zeit vom 01.10.2018 bis 31.07.2019 geänderte Leistungen bewilligt wurden. Inhaltlich wurde das Heizkostenguthaben im Oktober in Höhe von 300,00 € und im November in Höhe von 183,66 € auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung angerechnet. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dem Kläger sei im Oktober 2018 ein Guthaben in Höhe von 483,66 € zugeflossen, welches die Kosten der Unterkunft und Heizung mindere.

Hiergegen legte der Kläger am 10.10.2018 Widerspruch ein und führte zur Begründung unter Berufung auf das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.09.2015, L 13 AS 164/14 aus, er halte die Berücksichtigung des Heizkostenguthabens als Einkommen für rechtswidrig, weil er im Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.11.2017 nicht im Leistungsbezug gestanden habe. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzte den Widerspruch mit Schriftsatz vom 17.10.2018 unter Berufung auf § 22 Abs. 3 SGB II. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung der Vorschrift bezweckt, dass Jobcenter letztlich nicht von nicht übernommenen Kosten für Unterkunft und Heizung profitieren sollten; dies müsse auch für Guthaben gelten, die aus Zeiträumen resultierten, in denen der Leistungsberechtigte die Vorauszahlungen selbst getragen habe.

Am 05.11.2018 rechnete die ehemalige Vermieterin der F.-Str. über die Betriebskosten für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 ab. Hiernach stand dem Kläger bei geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 720,00 € (12 x 60,00 €) ein Guthaben in Höhe von 25,56 € zu, welches dem Kläger laut Kontoauszug am 14.11.2018 zugeflossen ist. Der Beklagte erteilte daraufhin am 15.11.2018 einen Änderungsbescheid nach § 48 Zeh...

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