Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenentscheidung nach § 193 Abs 1 S 3 SGG. Kriterien. Unzulässigkeit der zunächst erhobenen Klage auf Ergänzung einer untergesetzlichen Rechtsnorm. hier: WAufwV BE. Rechtsweg. funktionelle Zuständigkeit. Klageart. Feststellungsklage. kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Streit um die Verpflichtung der Exekutive zum Erlass oder zur Änderung untergesetzlicher Rechtsnormen ist nicht verfassungsrechtlicher, sondern verwaltungsrechtlicher Art.

2. Eine auf Normänderung gerichtete Normerlassklage wird von § 55a Abs 1 SGG nicht erfasst mit der Folge, dass hierfür die funktionelle Zuständigkeit des Sozialgerichts gegeben ist.

3. Bei Erhebung einer Normergänzungsklage ist grundsätzlich die Feststellungsklage die richtige Klageart.

4. Wegen der grundsätzlichen Subsidiarität der Feststellungsklage ist eine Normergänzungsklage unzulässig, wenn der Kläger sein Begehren zumutbar mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen kann.

 

Orientierungssatz

Zur Frage, nach welchen Kriterien sich die Kostenentscheidung im Rahmen der Anwendung des § 193 Abs 1 S 3 SGG zu richten hat.

 

Tenor

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Kostengrundentscheidung ist nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden, wenn - wie hier - das Verfahren anders als durch Urteil in der Sache beendet wird. Hier ist das Verfahren durch die einseitige Erledigungserklärung beendet, die in kostenfreien Verfahren als Klagerücknahme gewertet werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 29.12.2005 - B 7a AL 192/05 B ).

Der Antrag ist unbegründet.

Die Frage, nach welchen Kriterien sich die Kostenentscheidung im Rahmen der Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu richten hat, ist im SGG nicht näher definiert. In der Rechtsprechung besteht aber weitgehende Einigkeit darüber, dass die Verteilung der Kosten nach billigem Ermessen zu erfolgen hat (vgl. nur Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 193 Rn. 13 mwN) wobei der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung maßgeblich ist. Diese Rechtsauffassung stützt sich auf die Prinzipien, nach denen in der Zivilprozessordnung (ZPO) Kostenentscheidungen zu treffen sind. Hiernach ist in erster Linie die Erfolgsaussicht im Zeitpunkt der Erledigung maßgeblich (Rechtsgedanke des § 91a ZPO ). Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussicht, dass ein Beteiligter teilweise obsiegt, kann es auch zu einer verhältnismäßigen Kostenaufteilung kommen (Rechtsgedanke des § 92 ZPO ). Schließlich ist auch die Idee des § 93 ZPO zu beachten. Danach fallen dem Beklagten keine Kosten zur Last, wenn er keine Veranlassung zur Klage gegeben hat und nach der Klageerhebung sofort ein Anerkenntnis abgibt. Diese Vorschrift verlangt, das Verhalten des Beklagten vor dem Prozess und im Prozess zu berücksichtigen. Aus all diesen Regelungen wird ein allgemeines Prinzip erkennbar, wonach derjenige die Kosten tragen soll, der sie zu Unrecht veranlasst hat. Auch die Frage nach der Erfolgsaussicht ist im Kern nur die Frage danach, wer die Aufwendungen des anderen zu Unrecht veranlasst hat. Denn der Beteiligte, der den Prozess mutmaßlich verloren hätte, hat die Gegenseite zu Unrecht in Kosten gestürzt und muss sie daher erstatten.

Nach Maßgabe dieser Prämissen entspricht es billigem Ermessen, dass die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

Die auf Fortschreibung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) gerichtete Klage war unzulässig.

1. Der Rechtsweg ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG gegeben, denn es handelt sich um eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Streitentscheide Norm ist eine Norm des Grundsicherungsrechts, nämlich § 22c Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Hiernach müssen die Kreise und kreisfreien Städte die durch Satzung bestimmten Werte für die Unterkunft mindestens alle zwei Jahre und die durch Satzung bestimmten Werte für die Heizung mindestens jährlich überprüfen und gegebenenfalls neu festsetzen.

2. Es handelt es sich auch um eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung unterliegt den (hier: besonderen) Verwaltungsgerichten, sodass der Streit um die Verpflichtung der Exekutive zum Erlass oder zur Änderung untergesetzlicher Rechtsnormen nicht verfassungsrechtlicher, sondern verwaltungsrechtlicher Art ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.07.2002 - 2 C 13.01; Axer, NZS 1997, 10, 15).

3. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Sozialgericht funktionell zuständig.

§ 29 Abs. 2 Nr. 4 SGG greift nicht ein. Die Vorschrift bestimmt die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts für Anträge nach § 55a SGG. Anträge nach § 55a SGG sind gerichtet auf die Überprüfung der der Gültigkeit von Satzungen oder anderen im Rang unter ...

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