Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzungsverfahren. Gebühr bei Untätigkeitsklage. Höhe der "fiktiven" Terminsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Untätigkeitsklage kommen bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Gebühren 40 v.H. der Mittelgebühr nach VV-RVG Nr 3102 in Betracht, da einer Untätigkeitsklage grundsätzlich kein Verwaltungs- bzw. Vorverfahren vorangeht.

2. Eine "fiktive" Terminsgebühr ist in dem Umfang der Verfahrensgebühr, also mit 40 v.H. der Mittelgebühr, zu bemessen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 15. Oktober 2008 werden die von dem Antragsgegner der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 238,00 EUR festgesetzt. Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.

Von den notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Antragsgegner die Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

Auf die zulässige Erinnerung waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 238,00 EUR lt. nachstehender Berechnung festzusetzen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

100,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

 80,00 EUR

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19%)

 38,00 EUR

Summe

238,00 EUR

Die Kammer teilt zur Frage der Verfahrens- und (fiktiven) Terminsgebühr und deren Höhe bei Untätigkeitsklagen grundsätzlich die Auffassung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin, die nunmehr neben der 165. Kammer für die Entscheidungen nach § 197 Satz 2 SGG eine Alleinzuständigkeit hat, vgl. den gleich gelagerten Beschluss der 164. Kammer vom 21. Januar 2009 - S 164 SF 12/09 E -. Darin heißt es:

“Zu Recht ist die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bezüglich der Verfahrens- bzw. Geschäftsgebühr von dem Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG (40 € bis 460 €) ausgegangen. Eine (verminderte) Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG, die dann anfällt, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) vorausgegangen ist, kann im Verfahren der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG nicht anfallen. Das Verfahren der Untätigkeitsklage setzt weder ein eigenes Verwaltungsverfahren noch ein Vorverfahren voraus, weshalb schon begrifflich der Tatbestand der Nr. 3103 VV RVG nicht einschlägig ist (so auch SG Berlin, Beschluss vom 01.12.2004; Az.: S 54 AL 4073/04; SG Nürnberg, Beschluss vom 04.10.2006, Az.: S 14 R 813/05 KO; Schneider, RVGreport 2007, 1)

Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb dieses Gebührenrahmens angeht, ist die Kammer der Auffassung, dass grundsätzlich auch bei einer Untätigkeitsklage zunächst von der Mittelgebühr auszugehen ist. Es entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Klageverfahren vorzunehmen. Die Maßstäbe für diese Einordnung lassen sich der Regelung des § 14 RVG entnehmen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr sind nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG alle Umstände des Einzelfalls, vor allem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Bei den hier einschlägigen Betragsrahmengebühren ist außerdem das (besondere) Haftungsrisiko des Rechtsanwalts zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG).

Unter Würdigung all dieser Umstände ist das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass in dem hier vorliegenden Fall einer Untätigkeitsklage, die sich nach Klageerhebung ohne weiteres durch Erlass des Widerspruchsbescheides unstreitig erledigt, ein deutlich unterdurchschnittliches Klageverfahren gegeben ist. Diesem Umstand trägt die streitgegenständliche Gebührenrechnung des klägerischen Prozessbevollmächtigten nicht hinreichend Rechnung. Seine Bestimmung der Verfahrensgebühr ist daher nicht verbindlich, weil sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Eine Kürzung der Mittelgebühr auf (nur) 50% hält das Gericht nicht für ausreichend. Auf der anderen Seite würde die von der Urkundsbeamtin vorgenommene Festsetzung lediglich in Höhe der doppelten Mindestgebühr keine angemessene Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit bedeuten. Die Kammer meint vielmehr, dass eine Gebühr in Höhe von 40% der Mittelgebühr als angemessene Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG für ein durchschnittliches Untätigkeitsklageverfahren zu bezeichnen ist (vgl. SG Nürnberg, Beschluss vom 4. Oktober 2006, Az.: S 14 R 813/05 KO; SG Augsburg, Beschlüsse vom 10. August 2007 bzw. 21. November 2006, Az.: S 10 KR 58/06 KO und S 9 AS 286/06). Dabei ist entscheidend zu beachten, dass die Untätigkeitsklage des § 88 SGG eine reine Bescheidungsklage ist. Gegenstand des Verfahrens ist also allein der Erlass des begehrten Verwaltungsakts. Auf die materie...

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