Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung

 

Orientierungssatz

1. Einem Unternehmer der Dienstleistungsbranche ist die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG zu versagen, wenn er die für die Ausübung der Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.

2. Die bisher vorliegenden Tatsachen und Umstände müssen die zukünftige Prognose einer Unzuverlässigkeit zur Versagung der beantragten Erlaubnis rechtfertigen.

3. Einem Verleiharbeitgeber ist es nicht verwehrt, mit einem Beschäftigten einen oder mehrere befristete Arbeitsverträge mit einem Sachgrund abzuschließen. Befristungen auf Wunsch des Arbeitnehmers sind in einem Verleiharbeitsverhältnis zulässig.

4. Weist der Verleiharbeitgeber nach, dass selbst bei einer Vielzahl von Zeitarbeitsverhältnissen der befristete Einsatz von Leiharbeitnehmern auf deren Wunsch erfolgt ist, so ist die beantragte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu erteilen.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis zum 31.03.2018 längstens jedoch bis zur Bestandskraft des Widerspruchsbescheides zu erteilen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Personaldienstleistungsbranche und ausschließlich im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sie ist im Wesentlichen auf die Überlassung medizinischer Fachkräfte spezialisiert und beschäftigt durchschnittlich ca. 130 Arbeitnehmer, die sie vor allem an Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen überlässt.

Die Antragstellerin hatte erstmalig im Mai 2015 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gestellt, die ihr mit Bescheid vom 8. Juli 2015 für den Zeitraum vom 15. Juli 2015 bis zum 14. Juli 2016 erteilt wurde. Mit Bescheid vom 1. Juni 2016 wurde ihr eine weitere Erlaubnis für die Zeit vom 15. Juni 2016 bis zum 14. Juli 2017 erteilt.

Am 5. Mai 2017 beantragte die Antragstellerin erneut eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Mit Bescheid vom 28. Juli 2017 versagte die Antragsgegnerin die Erteilung der Erlaubnis mit der Begründung, dass Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Antragstellerin die für die Ausübung der Verleihtätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Sie habe gegen ihre arbeitsrechtlichen Pflichten zur Beachtung der tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen verstoßen. Bei der Überprüfung der Geschäftsunterlagen seien wiederholt Verstöße gegen tarifliche und arbeitsrechtliche Regelungen festgestellt worden. Es seien eine Vielzahl sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern wiederholt geschlossen worden, worin ein erheblicher Verstoß gegen § 14 Abs. 2 TzBfG liege. Gerade die Eigenart und die besondere Struktur des Leiharbeitsverhältnisses verbiete es, befristete Einsatzmöglichkeiten bei einem Entleiher als Sachgrund iSd § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG anzuerkennen. So würden durch die wiederholt erfolgten, auftragsbezogenen Befristungen die Garantielohnverpflichtungen des Verleihers umgangen werden. Auch sei keine Vertragsoptimierung und Umstellung der bisherigen Praxis erfolgt, obwohl bereits diese Art der Vertragsgestaltung im Jahre 2016 beanstandet worden sei. Weitere Verstöße kämen hinzu, wie zB die Überschreitung der Höchstgrenze von 10 Stunden am Tag in einzelnen Fällen, die fehlende Eingruppierung gemäß § 2.1 ERTV-BAP oder die fehlende Zahlung von Jahressonderzahlungen und Mehrarbeitszuschlägen. Auch würden in den Einzelarbeitsverträgen Angaben zur Erlaubnisbehörde und zum Datum der Erlaubniserteilung fehlen. Eine positive Zukunftsprognose könne daher nach Auswertung der Verstöße gegen das Arbeitsrecht nicht gestellt werden.

Mit ihrem am 14. Juli 2017 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Antragstellerin die Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis der Arbeitnehmerüberlassung begehrt.

Zur Begründung ihres Antrags trägt die Antragstellerin - unter Beifügung diverser eidesstattlicher Versicherungen (Bl. 315 bis 404 sowie Bl.569 bis 581, 584 bis 591, 594 bis 601, 603 bis 605, 612 bis 614) - vor:

Für die Erlaubniserteilung gelte das Prognoseprinzip. Sie habe in jeder Hinsicht dargelegt, dass sie gewillt sei, Beanstandetes zu ändern und sich rechtskonform zu verhalten Sie beschränke sich dabei keineswegs auf die Nutzung neuer Vertragsmuster, sondern habe auch an Schulung teilgenommen sowie ihre Abfrage- und Zeiterfassungssysteme geändert.

Einzelne Verstöße gegen Verpflichtungen aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz räume sie ein. Diese seien jedoch nicht so erheblich, dass sie eine Versagung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung rechtfertigen könnten. Mögliche Pflichtverletzungen in der Vergangenheit berührten nicht ihre Arbeitgeberpflichten im Kern. So sei der soziale Schutz der Leiharbeitnehmer in keinster Weise beeinträchtigt worden. Sie...

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