Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Verfassungswidrigkeit der Neuregelung der Berücksichtigung des Einkommens des Stiefpartners in der Bedarfsgemeinschaft zugunsten des nicht leiblichen Kindes
Orientierungssatz
Die ab 1.8.2006 geltende Neuregelung des § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 zur Berücksichtigung des Einkommens des in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners (Stiefpartner) zugunsten des nicht leiblichen Kindes verletzt Verfassungsrecht und ist keiner verfassungskonformen Auslegung zugänglich.
Gründe
I.
Die verwitwete Antragstellerin zu 1 ist die Mutter der 1991 geborenen Antragstellerin zu 2. Sie bewohnen gemeinsam mit Herrn D C seit Februar 2004 eine Mietwohnung mit drei Zimmern und 70,6 Quadratmetern unter der im Rubrum genannten Anschrift. Bis zum Ende des Monats des Februar 2006 bezog die Antragstellerin zu 1 Arbeitslosengeld. Die Miete beträgt einschließlich Nebenkosten 528,70 Euro monatlich. Die Antragstellerin zu 1 erzielt Einkommen aus einer Nebenbeschäftigung in Höhe von 165,00 Euro brutto monatlich. Für die Antragstellerin zu 2 wird monatlich Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro gezahlt.
Auf einen bereits im Januar 2006 bei dem Antragsgegner gestellten Antrag bewilligte dieser Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Antragstellerinnen bis zum 31. Juli 2006 ohne Anrechnung von Einkommen des Herrn C. Nach weiteren Ermittlungen gelangte der Antragsgegner zu der Überzeugung, dass zwischen der Antragstellerin zu 1 und Herrn C eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe und sein Einkommen daher auf den Bedarf der Antragstellerin zu 1 anzurechnen sei.
In der Folge erließ der Antragsgegner Aufhebungsbescheide und Änderungsbescheide, die im vorliegenden Verfahren nicht Gegenstand sind. So wurden durch Änderungsbescheid vom 3. Juli 2006 Leistungen nur noch in monatlicher Höhe von 298,23 Euro für Juni und Juli 2006 festgestellt. Der Antragsgegner führte aus, dass Anspruch auf Leistungen nur für die Antragstellerin zu 2 bestehe. Die Leistungen für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2006 wurden durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Juli 2006 in Höhe von 1563,72 Euro "teilweise" aufgehoben.
Am 11. Juli 2006 beantragte die Antragstellerin zu 1 die Fortgewährung von Leistungen. Mit Bescheid vom 12. Juli 2006 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellerinnen für die Zeit vom 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in einer Gesamthöhe von 298,23 Euro monatlich.
Ein wegen höherer laufender Leistungen ab dem 1. Juni 2006 betriebenes Anordnungsverfahren der Antragstellerin zu 1 endete durch für den Zeitraum ab 1. August 2006 abweisenden Beschluss des Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2006 (Az. L 14 B 718/06 ER). Ausweislich des Inhalts des dortigen Verfahrens machte Herr C laufende Kreditverbindlichkeiten von insgesamt 798 Euro geltend.
Seit dem 1. November 2006 ist Herr C ebenfalls arbeitslos. Er bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von 48,96 Euro täglich.
Mit Bescheid vom 17. November 2006 hob der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 12. Juli 2006 mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2006 auf. Zur Begründung führte er aus, dass mit Inkrafttreten des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes zum 1. August 2006 entschieden worden sei, dass auch das Einkommen und Vermögen von Partnern auf den Bedarf aller zur Bedarfsgemeinschaft zählenden Kinder anzurechnen sei, unabhängig davon, ob es sich um gemeinsame Kinder handele.
Mit Schreiben vom 24. November 2006 legten die Antragstellerinnen vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der noch nicht beschieden ist.
Mit dem am 27. November 2006 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag verfolgen die Antragstellerinnen ihr Begehren weiter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Sie tragen vor, aufgrund des wegen der Arbeitslosigkeit nunmehr geringeren Einkommens des Zeugen C lägen bereits die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ablehnung eines Leistungsanspruchs nicht vor. Zu berücksichtigen sei bei Herrn C aufgrund der bestehenden Kreditverpflichtungen nur der pfändungsfreie Betrag von 950 Euro. Zudem sei die Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuches (SGB II) verfassungswidrig. Sie sei mit Art. 1, 2, 3 und 6 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Herr C sei nicht unterhaltspflichtig gegenüber der Antragstellerin zu 2. Er könne diese zusätzlichen Belastungen in keiner Art und Weise geltend machen. Es bestehe auch keine vergleichbare Regelung im SGB XII. Unterhaltsrechtlich sei kein Einstehen von Nichtverwandten denkbar. Eine steuerliche Privilegierung des Einstandspartners erfolge nicht. Die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II habe insoweit Familien sprengende Wirkung.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 17. November 2006 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der Aufhebung der Vollziehung zu verpflichten, die mit Bescheid vom 12. J...