Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Bestimmung der angemessenen Gebühr. Anfechtung von Mahngebührenbescheiden. behördliches Kostenfestsetzungsverfahren. isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen
Leitsatz (amtlich)
1. Für Verfahren der Anfechtung von Mahngebührenbescheiden ist in der Regel - vorbehaltlich von Besonderheiten des Einzelfalles - von einer Geschäftsgebühr bzw einer Verfahrensgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr auszugehen.
2. Für Verfahren bezogen auf das behördliche Kostenfestsetzungsverfahren bzw für Klageverfahren bezogen auf die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen im Widerspruchsbescheid, sind überwiegend Gebühren in Höhe von 30% bis 60% der Mittelgebühr als billig anzusehen.
Diesbezüglich - da stark einzelfallbezogen - sind keine weitergehend differenzierten Musterbeschlüsse zu jeweiligen "Regelgebühren" beabsichtigt.
Tenor
Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 1. Dezember 2011 werden die zu erstattenden Kosten auf 114,24 EUR festgesetzt. Der Ausspruch über die Verzinsung gilt entsprechend. Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.
Von den notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat die Erinnerungsgegnerin ein Viertel zu erstatten.
Gründe
I.
Gegenstand der Klage vom 14. April 2011 im Verfahren - S 57 AL 1201/11 - war die Anfechtung eines Mahnbescheides vom 23. Februar 2011 über 15,36 EUR in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2011, welcher den Widerspruch mangels Bescheidqualität der angefochtenen Mahnung als unzulässig verwarf. Mit Schriftsatz vom 23. August 2011 hob die Erinnerungsgegnerin die streitgegenständlichen Bescheide auf und erklärte sich dem Grunde nach bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsführers für das Vorverfahren zu übernehmen. Die Zuziehung des Bevollmächtigten wurde als notwendig erachtet. Mit am 14. Oktober 2011 beim Sozialgericht Berlin eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage nahm der Erinnerungsführer diese Anerkenntnisse an, erklärte das Verfahren in der Hauptsache für erledigt und beantragte mit der dem Schriftsatz anliegenden Rechnung vom gleichen Tage die Festsetzung von 309,40 EUR für das Vorverfahren lt. nachstehender Berechnung:
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Verfahrensgebühr Nr. 2400 VV RVG |
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240,00 EUR |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) |
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49,40 EUR |
Summe |
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309,40 EUR |
Die Erinnerungsgegnerin wandte mit Schriftsatz vom 28. September 2011 Unbilligkeit ein. Sie hielt 57,12 EUR lt. nachstehender Berechnung für angemessen:
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Verfahrensgebühr Nr. 2400 VV RVG |
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40,00 EUR |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
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8,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) |
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9,12 EUR |
Summe |
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57,12 EUR. |
Dem ist der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2011 entgegen getreten.
Mit Beschluss vom 1. Dezember 2011 setzte die Urkundsbeamtin unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 57,12 Euro lt. nachstehender Berechnung fest:
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Verfahrensgebühr Nr. 2400 VV RVG |
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40,00 EUR |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
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8,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) |
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9,12 EUR |
Summe |
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57,12 EUR. |
Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Erinnerung gegen den am 9. Dezember 2011 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss ist am 19. Dezember 2011 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Der Erinnerungsführer trägt vor, die Kosten seien fehlerhaft festgesetzt worden und der Arbeitsaufwand seines Bevollmächtigten nicht hinreichend gewürdigt. Der Gebührenrahmen reiche von 40,00 bis 520,00 EUR. Dabei habe der Gesetzgeber klargestellt, dass nur dann eine höhere Gebühr als 240,00 EUR verlangt werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig sei bzw. gewesen sei. Damit sei grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen, soweit keine besonderen Umstände gegen den Ansatz einer Mittelgebühr sprächen. Diese seien hier nicht ersichtlich gewesen: Die Bedeutung der Angelegenheit sei unerheblich vom Beschwerdewert als hoch einzustufen, denn für Leistungsbezieher nach dem SGB II sei es unerheblich, wie hoch zusätzliche Kosten eines Vollstreckungsverfahrens seien. Im Übrigen sei Streitgegenstand nicht allein die Höhe der Mahngebühr, sondern die Berechtigung zur Vollstreckung und zum Erlass von Mahngebühren durch die Erinnerungsgegnerin insgesamt gewesen. Damit sei nicht allein die Höhe der Mahngebühr entscheidend, sondern die Tatsache, dass die Erinnerungsgegnerin ohne eine Rechtsgrundlage für die Verwaltungsvollstreckung tätig geworden sei. Insoweit sei die Beschwerde nicht allein in der Höhe der Mahngebühr, sondern gleichsam in der Höhe der zu vollstreckenden Forderung zu finden. Diesbezüglich sei die Bedeutung sehr hoch gewesen. Der zeitliche Umfang und die Schwierigkeit seien entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin hoch gewesen. Der zeitliche Umfang habe sich durch d...