Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte bei ruhendem Leistungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Krankenkassen sind derzeit noch nicht verpflichtet, für Versicherte mit ruhendem Leistungsanspruch eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen. Die Herausgabe von Berechtigungsscheinen verstößt in diesem Fall nicht gegen geltendes Recht (entgegen SG Wiesbaden vom 31.10.2018 - S 2 KR 241/17; entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 18.7.2017 - L 9 KR 274/17 B ER).

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der bei der Antragsgegnerin freiwillig versicherte Antragsteller begehrt die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung zur Tilgung seiner Beitragsschulden.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 hatte die Antragsgegnerin wegen Beitragsrückständen des Antragsgegners das Ruhen des Leistungsanspruchs festgestellt. Vollstreckungsversuche der Antragsgegnerin in den Jahren 2013 und 2015 waren nicht erfolgreich. Die Beitragsrückstände betragen aktuell mehr als 19.000,00 EUR.

Von Februar bis Oktober 2019 zahlte der Antragsteller monatlich je 30,00 EUR auf die Beitragsschulden. Mit E-Mail vom 5. September 2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass der Leistungsanspruch weiter ruhe. Die monatlichen Zahlungen seien im Verhältnis zum Rückstand zu gering, um eine Ratenzahlung in dieser Höhe bewilligen zu können. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Er teilte der Antragsgegnerin mit, dass sein Einkommen ihm nicht ermögliche, die geforderte Summe abzutragen. Er gehe einer Arbeit nach und sei nicht hilfebedürftig. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Ratenzahlungsangebot mit der Auswahl, die Beitragsschulden in 3, 6 oder 12 Monatsraten abtragen zu können. Hierauf antwortete der Antragsteller nicht. Mit Schreiben vom 11. Februar 2020 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen „Nachweis der Anspruchsberechtigung bei Ruhen des Anspruchs gemäß § 16 Absatz 3a SGB V“.

Am 12. Februar 2020 hat der Antragssteller beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Von seiner Ärztin sei ihm eine Herzbehandlung geraten worden, er benötige hierfür eine eGK. Auf Fragen des Gerichts zur wirtschaftlichen Situation hat der Antragsteller nicht geantwortet.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen und mit ihm eine Zahlungsvereinbarung in Höhe von 30,00 EUR monatlich zum 3. des Monats zur Tilgung der Beitragsschulden abzuschließen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dem Antragsteller entstünden keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn er die übersandten Anspruchsberechtigungsnachweise nutzt. Die technische Ausstattung der Leistungserbringer lasse derzeit kein Auslesen der eGK mit eingeschränkter Kennung für Versicherte mit ruhendem Leistungsanspruch zu. Daher könne dem Antragsteller eine eGK nicht ausgehändigt werden.

Das Gericht hat die Gesellschaft für Telematik um Auskunft gebeten, ob diese Aussage der Antragsgegnerin zutrifft und welche technischen Möglichkeiten derzeit bestehen, von der eGK die nach § 291 Abs. 2 S. 2 SGB V vorgesehenen Angaben zum Ruhen des Anspruchs auszulesen. Mit Schreiben vom 24. Februar 2020 hat die G. GmbH zu den gerichtlichen Fragen ausführlich Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Antragsgegnerin auszugsweise übersandte Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlic...

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