Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfestsetzung. Verzinsung der Vorverfahrenskosten. Kostenerstattung im Vorverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung vom Bundessozialgerichts vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R = AGS 2002, 151, dass Zinsen für die Kosten eines isolierten Vorverfahren nicht zu zahlen sind, ist nicht anzuwenden, wenn sich wie im Vorverfahren als Teil des Verwaltungsverfahrens ein gerichtlicher Rechtsstreit angeschlossen hat (Anschluss an SG Detmold vom 23.12.2004 - S 3 (11) KR 95/03).

2. In § 197 Abs 1 S 2 SGG findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens die Verzinsung entsprechend § 104 Abs 1 S 2 ZPO nicht gelten soll. Für eine einheitliche Handhabung sprechen nicht zuletzt Praktikabilitätsgründe, da damit eine Differenzierung nach Vorverfahrens- und Prozesskosten entbehrlich wird.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 17. April 2009 wird zurückgewiesen.

Die Erinnerungsführerin hat die außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsgegnerin für dieses Erinnerungsverfahren zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Erinnerung vom 04. Mai 2009 ist nicht begründet. Zu Recht ist in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die Verzinsung auch der Vorverfahrenskosten ausgesprochen worden.

Die Höhe der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle angesetzten Verfahrensgebühren für Widerspruchs- und Klageverfahren wurde durch die Erinnerungsführerin mit ihrer Erinnerung nicht angegriffen.

Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin hat sie auch Zinsen für die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu zahlen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 197 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Etwas anderes folgt auch nicht aus der von ihr genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Insoweit folgt die Kammer dem Beschluss des SG Detmold vom 23.12.2004 (Az. S 3 (11) KR 95/03, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de ). Dort wird zu dieser Problematik wie folgt ausgeführt:

“Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BSG in seinen Entscheidungen vom 24.07.1986 (7 RAr 86/84) und vom 18.12.2001 (B 12 KR 42/00 R) ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Gegenstand dieser Verfahren waren die zu erstattenden Kosten im Rahmen eines isolierten Vorverfahrens. Das BSG hat eine entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf die Kostenerstattung für das Vorverfahren ausgeschlossen. § 104 ZPO sei auf ein förmliches gerichtliches Verfahren zugeschnitten, hingegen handele es sich bei dem Vorverfahren um einen Teil des Verwaltungsverfahrens. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Wie im Vorverfahren als Teil des Verwaltungsverfahrens hat sich hier ein gerichtlicher Rechtsstreit angeschlossen. Auf die Kostenfestsetzung im gerichtlichen Verfahren findet § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO aufgrund der Verweisung in § 197 Abs. 1 Satz 2 SGG unmittelbar Anwendung. Es gilt der Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung. Eine Kostenentscheidung ergeht einheitlich für das Vorverfahren und das Gerichtsverfahren nach den Gesichtspunkten, die für Kostenentscheidungen im Gerichtsverfahren gelten. Es ist ständige Rechtsprechung, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens bei nachfolgenden Gerichtsverfahren als Kosten des letzteren gelten, so dass sie durch die Kostenentscheidung des Gerichts umfasst werden (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 193 Rdz. 5a m.w.N.).„

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. In § 197 Abs. 1 S. 2 SGG findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens die Verzinsung entsprechend § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht gelten soll. Für eine einheitliche Handhabung sprechen nicht zuletzt Praktikabilitätsgründe, da damit eine Differenzierung nach Vorverfahrens- und Prozesskosten entbehrlich wird.

Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht von einer Verzinsung des gesamten Erstattungsbetrags ausgegangen worden ist. Mithin war die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Kammer hält ebenso wie die 164. und 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin eine gesonderte Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren für erforderlich, da das Erinnerungsverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine gesonderte Angelegenheit i. S. d. § 18 Nr. 5 RVG darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L 2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L 6 B 221/06 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; vgl. zur Verfahrensgebühr für sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG; überdies Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Auflage, 42. Lieferung 2004, § ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?