Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. schwerbehinderter Mensch. Vermögenseinsatz. Lebensversicherung des Leistungen nach dem SGB 2 beziehenden Ehegatten. kein Härtefall
Leitsatz (amtlich)
Für einen Bezieher der Grundsicherung für Arbeitsuchende stellt die Notwendigkeit, sein Vermögen bis zur Schongrenze des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12 zugunsten seines von ihm nicht getrennt lebenden und Sozialhilfe begehrenden Ehegatten einzusetzen, nicht allein deswegen eine Härte iS von § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 dar, weil er sein Vermögen nach Maßgabe des § 12 SGB 2 für sich nicht zu verwerten braucht.
Orientierungssatz
Eine besondere Notlage iS des § 2 SGB12§90Abs2Nr9DV liegt beispielsweise dann vor, wenn durch die Verwertung des Vermögens der Erfolg einer Eingliederungshilfe für den behinderten Hilfebedürftigen gefährdet wird oder sich seine Erkrankung verschlimmert. Das Vorhandensein einer Behinderung allein führt nicht zur Anhebung der Freigrenze.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
Der Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren,
ist mangels Anordnungsgrundes und -anspruchs nicht begründet (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Dies gilt unabhängig davon, ob die Antragstellerin einzig die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - oder, wie dies im Antragsentwurf vom 19. Januar 2007 angedeutet ist, auch von Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII begehrt.
Der Anordnungsgrund, mithin die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung, ist wegen der im Schriftsatz vom 19. Februar 2007 gegebenen Zusage des Antragsgegners, bis zur Auszahlung des Erlöses der Kapital bildenden Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin sozialhilferechtliche Leistungen darlehensweise zu erbringen, nicht gegeben. Den Betrag seiner Leistungen beziffert der Antragsgegner zwar nicht. Aus der Bezugnahme in jenem Schriftsatz auf die gerichtliche Anfrage vom 15. Februar 2007, in der auf die vom Antragsgegner vorgenommene Überschlagsberechnung (Blatt 27 des Verwaltungsvorgangs) verwiesen wird, ist die Höhe der ergänzenden Hilfe aber zu ersehen. Insoweit wird der geltend gemachte Bedarf in ausreichendem Maße gedeckt. Dass die Leistungsgewährung im Darlehenswege erfolgen soll, steht dem nicht entgegen. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt regelmäßig einzig eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur darlehensweisen Hilfegewährung in Betracht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - juris, m.w.N.).
Auch ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Leistungsbewilligung an die Kündigung und die hieran anknüpfende Realisierung des Rückkaufswertes der Kapital bildenden Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin bindet. Der Rückkaufswert dieser Versicherung ist, soweit er die Freigrenzen des Vermögens überschreitet, zur Bedarfsdeckung der Antragstellerin einzusetzen. Gleiches gilt für Kapitallebensversicherung der Antragstellerin. Hilfe zum Lebensunterhalt erhält gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend unter anderem aus seinem Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII heraus bestreiten kann. Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten wie der Antragstellerin und ihrem Ehemann ist das Vermögen beider Ehegatten gemeinsam zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB XII). Für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen gilt nichts anderes (§§ 41 Abs. 2, 43 Abs. 1 SGB XII). Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII). Hierzu zählen Zahlungen aus Lebensversicherungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten aus Versicherungen, soweit sie verwertbar sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. April 2006 - L 23 B 19/06 SO ER - juris). Ausweislich der Mitteilung der Versicherungsgesellschaft vom 9. Februar 2007 kann die Antragstellerin ihre Kapitallebensversicherung, wenn die Kündigung der Gesellschaft bis Ende Februar 2007 zugeht, mit Wirkung zum 1. April 2007 kündigen. Nach Angaben ihrer Verfahrensbevollmächtigten im Schriftsatz vom 14. Februar 2007 würde die Auszahlung der Rückvergütung zum Kündigungstermin erfolgen. Die Versicherung des Ehemannes der Antragstellerin kann jeweils zum Ersten eines Monats gekündigt werden (Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 13. Februar 2007). Mithin sind beide Versicherungen verwertbar. Der Erlös aus dem Rückkauf der Versicherung des Ehemannes der Antragstellerin stünde ihm, dem Ehemann, frühestens in der zweiten Märzhälfte 2007 zu Verfügung, da mit der Auszahlung nach den von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingeholten Auskünften innerhalb von mindestens zwei bis drei Wochen zu rechnen ist. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt wird die ergänzende Hil...