Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Auszubildender. Berufsausbildungsbeihilfebezug. Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten. Mietschuldenübernahme. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Berechnung des Zuschusses nach § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 zu den ungedeckten Unterkunftskosten sind von Anfang an nur die angemessenen Unterkunftskosten zu Grunde zu legen. Zur Ermittlung des ungedeckten Unterkunftskostenbedarfs ist das vorhandene, nach den Maßstäben des SGB 2 zu bereinigende Gesamteinkommen mit dem fiktiven Gesamtbedarf nach SGB 2 (Regelsatz plus angemessene Unterkunftskosten) gegenüber zu stellen. Eine isolierte Gegenüberstellung des im BAföG, in der Berufsausbildungsbeihilfe oder im Ausbildungsgeld enthaltenen Anteils für das Wohnen mit den tatsächlich zu entrichtenden, angemessenen Unterkunftskosten führt zu einer nicht gerechtfertigten Besser- oder Schlechterstellung gegenüber "echten" Beziehern von Arbeitslosengeld II.

2. Dem Empfänger eines Zuschusses nach § 22 Abs 7 SGB 2 kann ein Darlehen zur Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs 5 SGB 2 gewährt werden, da der Zuschuss insofern den Charakter einer "Leistung für Unterkunft und Heizung" besitzt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller (Ast.) absolviert seit September 2006 eine Ausbildung, für die er im ersten Ausbildungsjahr eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 282 EUR erhält. Er lebt in einer eigenen Wohnung. Die monatliche Miete plus Nebenkosten beträgt 355,25 EUR, dazu kommt ein Abschlag für die Gasetagenheizung von 54 EUR.

Bis zum Beginn der Ausbildung hatte der Ast. Alg II in Höhe von 345 EUR Regelsatz plus 409,25 EUR Unterkunftskosten bezogen. Eine Weiterzahlung lehnt der Antragsgegner unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II ab.

Nach einer Kündigung des Vermieters mit Erklärung zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bei Ausgleich der Mietschulden, beantragte der Ast. am 16.1.2007 die Übernahme seit Oktober 2006 ausstehender Mieten. Die Schulden seien entstanden, weil er außer Kindergeld und Ausbildungsvergütung kein weiteres Einkommen habe. Seine Eltern weigerten sich, die Unterhaltszahlungen, derentwegen die beantragte BAB abgelehnt worden sei, zu leisten; eine Unterhaltsklage werde von einem Anwalt geprüft.

Mit Bescheid vom 8.2.2007 wies der Ag. den Antrag auf Mietschuldübernahme zurück; Mietschulden könnten vom SGB II-Träger nur für Bezieher von Alg II übernommen werden. Der Ast. solle sich an das Sozialamt wenden. Das Sozialamt hatte in einem Schreiben an den Ag. eine Prüfung der Mietschuldübernahme vermittels eines Zuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II angeregt.

Am 2.2.2007 hat der Ast. das Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz ersucht mit dem Antrag, Alg II zu bewilligen und die Mietschulden von 1037,40 EUR als Darlehen zu übernehmen. Infolge des abschlägig beschiedenen BAB-Antrags stehe ihm Alg II zu und daher könne auch ein Darlehen zum Ausgleich der Mietschulden gewährt werden. Eine Räumung sei für Ende März angedroht worden.

Der auf Anregung des Gerichts gestellte Antrag auf Vorauszahlung nach § 72 SGB III führte zu einer Bewilligung von BAB in Höhe von 277 EUR monatlich. Daraufhin gewährt der Ag. mit Bescheid vom 21.3.2007 einen monatlichen Mietzuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II in Höhe von 16,25 EUR seit Januar 2007. Eine Mietschuldenübernahme komme dennoch nicht in Betracht, da der Mietzuschuss keine Alg II-Leistung sei.

 

Entscheidungsgründe

Infolge der bewilligten BAB und des dem Grunde nach zuerkannten Mietzuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II sind die ursprünglichen Anträge sinngemäß als Antrag auf Gewährung eines höheren Mietzuschusses und Übernahme der Mietschulden auszulegen.

Die Anträge sind zulässig, insbesondere steht die mangels Widerspruch eingetretene Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 8.2.2007 dem Antrag auf Mietschuldübernahme nicht entgegen. Denn mit der Gewährung von BAB und dem folgend eines Mietzuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II ist eine neue Rechtslage entstanden, auf die der Ag. mit Schriftsatz vom 23.3.2007 die Zuschussgewährung erneut abgelehnt hat. Der Ast. kann hierauf mit einem der neuen Rechtslage angepassten Vornahmeantrag reagieren (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG analog).

Die Anträge sind auch begründet:

1. Höherer Mietzuschuss

Die Berechnung im Bescheid vom 21.3.2007 ist zum einen fehlerhaft, weil sie die Heizkosten von 54 EUR monatlich unberücksichtigt lässt. Richtiger Ausgangspunkt für die Berechnung des Zuschusses ist hier die Höchstmiete von 360 EUR, da § 22 Abs. 7 SGB II auf die örtlich angemessene Miete abstellt. Die Regelung zur vorübergehenden Übernahme unangemessener Mietkosten wird von § 22 Abs. 7 SGB II nicht in Bezug genommen, woraus das Gericht schließt, dass der Berechnung des Mietzuschusses von Anfang an, d.h. ohne Übergangsfrist nach einer Mietsenkungsaufforderung, nur die für Alg II-Bezieher angemessenen Unterkunftskosten zugrunde gelegt werden können.

Zum anderen ist die vom Ag. gewählte Berechnung...

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