Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Widerspruchsfrist. unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung. kein Hinweis auf die Möglichkeit zur Einlegung eines elektronischen Rechtsbehelfs. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Beantragung vorrangiger Sozialleistungen. unzulässige Aufforderung zur Beantragung von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung und einer Erwerbsminderungsrente. fehlende vorherige Überprüfung der Erwerbsfähigkeit
Orientierungssatz
1. Ist die im Schreiben zur Aufforderung der Beantragung einer Rente wegen Erwerbsminderung verwendete Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, so gilt gemäß § 66 Abs 1 SGG die Widerspruchsfrist von einem Jahr. Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung liegt vor, wenn in einer Belehrung nach dem 1.1.2018 nicht auf die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsbehelfs in elektronischer Form hingewiesen wird.
2. Der Grundsicherungsträger ist gemäß §§ 5 Abs 3, 12a SGB 2 nicht befugt den Hilfebedürftigen aufzufordern, Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung beim Sozialhilfeträger und eine Rente wegen Erwerbsminderung beim Rentenversicherungsträger zu beantragen, wenn nicht zuvor die Erwerbsfähigkeit im Verfahren nach § 44a SGB 2 iVm § 8 Abs 1 SGB 2 überprüft wurde.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 2. Oktober 2018 S 121 AS 11607/18 gegen den Bescheid vom 14. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2018 W 4788/18 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe
Der am 24. September 2018 beim erkennenden Gericht eingegangene und am 2. Oktober 2018 abgeänderte Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 14. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2018 anzuordnen,
ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG i.V.m. § 86a Abs. 3 S. 2 SGG kann das Gericht der Haupt-sache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bestehen.
Gemäß § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, diese entfällt jedoch nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG, wenn ein Bundesgesetz dies vorschreibt. Eine solche bundesgesetzliche Regelung ist in § 39 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) enthalten. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Bescheid vom 14. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2018 W 4788/18 hat der Antragsgegner den Antragsteller aufgefordert bei dem zuständigen Träger der Rentenversicherung einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente und beim Bezirksamt Berlin Mitte einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII zu stellen, so dass die hiergegen am 2. Oktober 2018 zu Aktenzeichen S 121 AS 116607/18 eingelegte Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
Die im einstweiligen Rechtsschutz über die aufschiebende Wirkung von Widerspruch bzw. Klage zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen sind auch in den Fällen des gesetzlich an-geordneten Sofortvollzuges - wie hier nach § 39 Nr. 2 SGB II - stets das Ergebnis einer Folgenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Dies ist vorrangig anhand einer Prüfung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren vor-zunehmen, wobei das Aussetzungsinteresse überwiegt, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen Prüfung als rechtswidrig erweist, das Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt hingegen, wenn er sich als rechtmäßig erweist. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert werden, ist die Sach- und Rechtslage im Bereich der Grundsicherungsleistungen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Danach ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Bedenken gegen die Folgen einer Entscheidung im Sinne des Antragstellers umso eher zurückzustellen sind, je schwerer die Folgen, die mit der Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes verbunden sind, für ihn wiegen.
Im Rahmen dieser Folgenabwägung anhand der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren ist dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers der Vorrang e...