Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzungsverfahren. fiktive Terminsgebühr bei Teilanerkenntnis. Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Teilanerkenntnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine "fiktive" Terminsgebühr nach Nr 3106 S 2 Nr 3 VV-RVG entsteht nicht schon bei einem angenommenen Teilanerkenntnis.

2. Nach dem Wortlaut des Gebührentatbestandes der Nr 3106 S 2 Nr 3 VV-RVG hat der Gesetzgeber für Verfahren nach § 183 SGG einen besonderen Gebührenanreiz zum Abschluss eines Vergleiches bzw. eines Teilanerkenntnisses im schriftlichen Verfahren nicht für erforderlich gehalten.

 

Tenor

Die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Das Gericht verweist zunächst zur Begründung in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach eigener Prüfung auf die zutreffende Gründe der angefochtenen Entscheidung (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 142 Randziffern 5, 5 a, 5 b, 5d m. w. N.).

Entgegen der Ansicht des Klägers im Erinnerungsvortrag entsteht eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG nicht schon bei einem Teilanerkenntnis. Dafür besteht keine Rechtsgrundlage. Denn bereits der eindeutige Wortlaut von Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG verlangt ein “dass das Verfahren ≪1.≫ nach angenommenem Anerkenntnis ≪2..≫ ohne mündliche Verhandlung endet„. Danach ist auch nicht “allein„ entscheidend, dass keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Die weitergehende Erledigungserklärung wird dabei durch die bewilligte Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG abgegolten.

Im Gegensatz zu Verfahren nach § 197a SGG löst in Verfahren nach § 183 SGG die Beendigung des Verfahrens durch den Abschluss eines Vergleichs im schriftlichen Verfahren, d.h. die Beteiligten beenden den Rechtsstreit durch gegenseitiges Nachgeben, wie z.B. durch ein Teilanerkenntnis und teilweiser Klagerücknahme, nicht den Anfall einer Terminsgebühr aus. Nach dem Wortlaut des Gebührentatbestandes der Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG und dem Willen des Gesetzgebers hat dieser für Verfahren nach § 183 SGG einen besonderen Gebührenanreiz zum Abschluss eines Vergleiches bzw. eines Teilanerkenntnisses unter Erledigung im übrigen zwischen den Beteiligten im schriftlichen Verfahren nicht für erforderlich gehalten; die Bestimmung der Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 3 VV RVG ist nicht analog anwendbar, vgl. Straßfeld, SGb 11/08, S. 640 m.w.N. zur entsprechenden Rechtsprechung der LSGe Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Thüringen - insbesondere LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Mai 2006 - L 10 B 13/05 SB:

“Ob es sich bei dem Regelungsvorschlag um ein Teilanerkenntnis oder ein Vergleichsangebot handelt, bedarf keiner abschließenden Beurteilung. Denn Ziff. 3 der Nr. 3106 VV RVG meint ein Anerkenntnis, dessen Annahme den Rechtsstreit ≪insgesamt≫ erledigt. Die bloße Annahme des Vorschlages, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen, hätte den Rechtsstreit nicht beendet. Dazu war vielmehr noch die Abgabe einer prozessbeendenden Erklärung erforderlich. Dies ist durch Erledigungserklärung des Klägers erfolgt.

Eine der Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 3. Alt. VV RVG entsprechende Regelung - Entstehen einer Terminsgebühr auch in den Fällen, in denen in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgesehen ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird - enthält die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV RVG nicht. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke besteht, die im Wege der Rechtsprechung geschlossen werden könnte. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (BSG, Urteil vom 10.05.1995 - 1 RK 20/94 -, BSGE 76, 109 ff.; Senatsbeschluss vom 04.09.2002 - L 10 B 2/02 KA ER -). Weder liegt hier ein absichtliches oder ein versehentliches Schweigen des Gesetzes vor, noch ist nach Inkrafttreten des RVG eine Gesetzeslücke durch eine Änderung tatsächlicher Umstände eingetreten. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich in Nr. 3104 VV RVG auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV RVG verwiesen, sofern es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, in dem Betragsrahmengebühren entstehen. Hätte er eine der Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 3. Alt. VV RVG entsprechende Vorschrift auch für diese sozialgerichtlichen Verfahren treffen wollen, hätte er - wie er das hinsichtlich Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 3 ("Die Gebühr entsteht auch, wenn ... das Verfahren vor dem Sozialgericht nach angenommenen Anerkenntnis ohne mü...

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