Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Arbeitslosengeld II. Verhältnis von § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 zu § 31 Abs 1 SGB 2. Sanktion wegen Aufgabe eines selbst gesuchten Beschäftigungsverhältnisses. Sperrzeit. kein wichtiger Grund. Zumutbarkeit von Abhilfebemühungen und der Klage auf Überstundenvergütung
Orientierungssatz
1. Zum Verhältnis von § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 und § 31 Abs 1 SGB 2 (Anschluss an BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R = NJW 2010, 3115 und vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R = info also 2010, 186).
2. Die vorzeitige einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, das nicht auf die Initiative des Grundsicherungsträgers zustande gekommen war, kann auch während des laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld II zu einer Absenkung der Leistung nach § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 führen, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt des ihm vorgeworfenen Verhaltens in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und somit in einem Sozialrechtsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit stand (Anschluss an BSG vom 22.3.2010 aaO).
3. Der von § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 geforderte Sanktionssachverhalt liegt danach nur dann nicht vor, wenn ein Antragsteller für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses einen wichtigen Grund iS von § 144 Abs 1 S 1 SGB 3 hatte.
4. Die sofortige Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses ohne den Versuch, bei den strittigen Punkten auf Abhilfe zu dringen oder eine weitere Klärung zu versuchen, begründet einen Sanktionssachverhalt, weil dadurch vereitelt wird, dass die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 entfällt oder zumindest substantiell verringert wird.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.Urteil:
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Absenkung seiner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Antragsteller bezieht von dem Antragsgegner seit dem 24. Juli 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Zum 4. Mai 2010 nahm der Antragsteller eine Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Firma … Gebäude ... GmbH auf. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 4. Mai 2010 erhielt der Antragsteller einen Lohn von 8,40 Euro brutto pro Stunde. Die Arbeitszeit betrug täglich 3,5 Stunden, 17,5 Stunden wöchentlich bei einer 5-Tage-Woche. Der Antragsteller war arbeitsvertraglich verpflichtet, je nach betrieblichem Bedarf abweichend hiervon Mehrarbeit (Überstunden) zu leisten. Das Arbeitsverhältnis, über das der Antragsteller den Antragsgegner im Rahmen einer Veränderungsmitteilung am 11. Mai 2010 unterrichtete, war befristet bis zum 31. Oktober 2010. Im gegenseitigen Einvernehmen wurde das Arbeitsverhältnis jedoch bereits zum 31. Mai 2010 vorzeitig wieder aufgelöst.
Unter dem 1. Juni 2010 schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner eine Eingliederungsvereinbarung. Darin verpflichtete der Antragsteller sich unter anderem dazu, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die bestehende Hilfebedürftigkeit schnellstmöglich zu verringern bzw. abzuwenden und seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten zu können. Der Eingliederungsvereinbarung war eine Belehrung über die Rechtsfolgen etwaigen Fehlverhaltens des Antragstellers beigefügt.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2010 senkte der Antragsgegner die Leistungen des Antragstellers für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Oktober 2010 um 107,70 Euro monatlich ab. Zur Begründung hieß es, dass der Antragsteller sich mit der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma … Gebäude … GmbH einverstanden erklärt und sich somit geweigert habe, die Tätigkeit, die ihm unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und seiner persönlichen Verhältnisse zumutbar gewesen sei, fortzuführen. Gründe, die dieses Verhalten erklärten und als wichtig im Sinne des SGB II anerkannt werden könnten, seien nicht angegeben und nachgewiesen worden. Als Rechtsgrundlage wurde in dem Bescheid § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c und Abs. 6 SGB II genannt.
Gegen den Bescheid vom 14. Juli 2010 erhob der Antragsteller am 4. August 2010 Widerspruch. Zur Begründung trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass der Bescheid rechtswidrig sei, weil entgegen der Vorgabe aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II keine Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgt sei. Außerdem, so trug der Antragsteller weiter vor, sei er berechtigt gewesen, die Arbeit aufzugeben. Nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses habe sich herausgestellt, dass er 6,5 Stunden täglich arbeiten müsse, aber nur 3,5 Stunden bezahlt bekomme. Der Arbeitgeber habe hierzu erklärt, dass er nicht mehr bezahlen werde, er aber bereit sei, das Arbeitverhältnis einvernehmlich zu beenden, was dann auch geschehen sei.
Zugleich mit dem Widerspruch h...