Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. örtliche Zuständigkeit. Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen. Anwendungsbereich des § 57a Abs 3 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen in § 57a Abs 3 und 4 SGG betreffen nur die unmittelbare gerichtliche Überprüfung einer vertraglichen Vereinbarung oder Entscheidung auf Landes- bzw Bundesebene im Rechtsstreit zwischen den an der Entscheidung bzw dem Vertrag unmittelbar Beteiligten oder Klagen unmittelbar gegen die zur Entscheidung berufene Stelle (Anschluss an SG Dresden vom 5.6.2009 - S 18 KR 167/09).
2. Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen unterfallen nicht allein deshalb der Regelung des § 57a Abs 3 SGG, weil die Beziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen teilweise in Sicherstellungsverträgen gemäß § 112 SGB 5 geregelt sind.
Tenor
Das Sozialgericht Berlin ist örtlich zuständig.
Gründe
Der Beschluss ergeht gemäß § 98 SGG i.V.m. §§ 17a Abs. 1 und 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
Die örtliche Zuständigkeit des SG Berlin ergibt sich aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat ihren satzungsmäßigen Sitz in Berlin.
Die örtliche Zuständigkeit des SG Gotha ergibt sich auch nicht aus § 57a Abs. 3 SGG wegen des für das Land Thüringen geltenden Sicherstellungsvertrages zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen. Ein “Betreffen„ im Sinne des § 57a Abs. 3 SGG ist nicht bereits dann gegeben, wenn um die Auslegung einer Entscheidung oder eines Vertrages auf Landesebene gestritten wird oder wenn dieser lediglich die oder eine rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch darstellt. Die Regelung des § 57a Abs. 3 SGG betrifft vielmehr nur die unmittelbare gerichtliche Überprüfung einer vertraglichen Vereinbarung oder Entscheidung auf Landesebene im Rechtsstreit zwischen den an der Entscheidung bzw. dem Vertrag unmittelbar Beteiligten oder Klagen unmittelbar gegen die zur Entscheidung berufene Stelle (ebenso SG Dresden, Beschluss vom 05.06.2009 - S 18 KR 167/09, juris; SG Berlin, Beschluss vom 01.09.2008 - S 83 KA 183/08, unveröffentlicht). Würde man für jeden Fall, in dem die Auslegung einer Entscheidung oder eines Vertrages auf Landesebene oder auf Bundesebene streitig ist, § 57a Abs. 3 bzw. 4 SGG für einschlägig halten, fiele beispielsweise jeder Rechtsstreit, zu dessen Entscheidung die Bundesmantelverträge heranzuziehen sind, in die Zuständigkeit des in der Vorschrift bezeichneten Sozialgerichts. Gleiches gälte für alle Honorarstreitigkeiten, in denen über die Auslegung oder den Inhalt des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs gestritten wird, für Arzneimittel-Retaxierungsstreitigkeiten oder für Krankenhausvergütungsstreitigkeiten, in denen über die Abrechnung auf Grundlage bundeseinheitlicher Fallpauschalen gestritten wird. Dass ein solches Ergebnis vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt wird, liegt auf der Hand (ebenso SG Dresden, a.a.O., SG Berlin, a.a.O.). Eine anderweitige Auslegung ergibt sich auch nicht aus der Begründung zum SGGArbGGÄndG (BT-DS 16/7716, S. 21). Ein Abstellen darauf, ob der Rechtsstreit im Kern die Auslegung einer Entscheidung oder Vereinbarung auf Bundesebene betrifft, wäre nicht praktikabel, da eine Auslegung der einschlägigen Vorschriften und Vereinbarungen letztlich Bestandteil jeder Rechtsanwendung ist und sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen würden, wenn z.B. teilweise um die Auslegung einer Regelung der Fallpauschalenvereinbarung oder der Kodierrichtlinien und teilweise um die medizinischen Grundlagen des Sachverhalts gestritten wird. Auch die in der von der Beklagten erwähnten Entscheidung des SG Ulm vom 19.10.2009 (S 13 KR 529/09) angeführten Gründe für eine Anwendung des § 57a Abs. 3 SGG auf Krankenhausvergütungsstreitigkeiten verfangen nicht.
Ein Abstellen auf die Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch ist schon deshalb problematisch, weil sich diese bereits unmittelbar aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V ergibt und zumindest nicht allein aus dem Sicherstellungsvertrag (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2010 - B 3 KR 11/09 R, bei juris Rdnr. 7; Urteil vom 02.11.2010 - B 1 KR 11/10 R, bei juris Rdnr. 11).
Dass die Sicherstellungsverträge auf Landesebene nach § 112 SGB V auch die Einzelheiten der Krankenhausbehandlung regeln, ist unerheblich, weil es insofern um bloße Rechtsauslegung geht, die allgemeine Aufgabe der Gerichte ist und für die es keiner Zuständigkeitskonzentration bedarf. Überdies gilt insofern das oben zu den Verträgen auf Bundesebene Gesagte entsprechend. Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs ergeben sich vorliegend insofern auch aus dem als Vertrag auf Bundesebene vereinbarten Fallpauschalenkatalog. Insofern wäre vorliegend gleichermaßen ein Vertrag auf Bundesebene betroffen, so dass sich die Abgrenzungsfrage zwischen § 57a Abs. 3 und Abs. 4 SGG stellen würde, die entgegen der Ansicht des SG Ulm keinesfalls systematisch einfac...